Edathy-Affäre im Innenausschuss: Ziercke schiebt schwarzen Peter Oppermann zu

Wer wusste im Fall Edathy wann was und hat wen informiert? Dieser Frage geht heute der Bundestag-Innenausschuss nach. BKA-Chef Jörg Ziercke war als erster aufgerufen, Licht ins Dunkel zu bringen. Dazu nahm er detailliert Stellung zu dem umstrittenen Telefonat mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und widerlegte jeglichen Eindruck der Mauschelei.

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU, l) unterhält sich mit BKA-Präsident Jörg Ziercke am 19.02.2014 vor der Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages in Berlin. Der Innenausschuss beschäftigt sich mit der Frage der Weitergabe von Informationen über den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Edathy zu Ermittlungen im Bereich der Kinderpornografie. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der Vorsitzende des Bundestag-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (links) sieht keine Verfehlungen von BKA-Chef Jörg Ziercke (rechts).
dpa, Wolfgang Kumm

Der BKA-Chef war nach eigenen Angaben überrascht, als er am 17. Oktober einen Anruf von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann entgegennahm. Schließlich habe er das letzte Mal vor vier oder fünf Jahren in direktem Kontakt mit Oppermann gestanden. Dementsprechend habe das Gespräche auch nur drei bis vier Minuten gedauert, und "ich habe nichts offenbart", sagte Ziercke nach seiner Anhörung im Bundestag-Innenausschuss.

Ziercke habe Oppermanns vorgetragene Kenntnisse im Fall des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy weder kommentiert noch dementiert. Deshalb könne er in dem Gespräch mit dem SPD-Fraktionschef auch keine strafrechtliche Relevanz erkennen.

Bleibt noch die heikle Frage, ob Edathy gewarnt wurde – und wenn ja, von wem? Dass der 44-Jährige aus den Reihen der SPD-Spitze einen Tipp erhalten haben könnte, sieht RTL-Politikexperte Heiner Bremer als unwahrscheinlich an. "Es gab keine gezielte Übermittlung der Personalie Edathy an andere Bundesländer", sagte Ziercke. Das BKA habe im Oktober 2011 aus Kanada insgesamt 450 Gigabyte Beweismaterial zu etwa 800 deutschen Kunden erhalten. "Rund 500 Kunden hatten eindeutig kinder- und jugendpornografische Filme und Fotos bestellt und mit Kreditkarte bezahlt", sagte Ziercke. Etwa 300 Kunden hätten Filme und Foto-Sets bezogen, die aber in Deutschland nicht strafbar seien, darunter auch Edathy.

Deshalb seien 2012 zuerst einmal die Fälle mit eindeutig kinderpornografischen Filmen abgearbeitet worden. Am 15. Oktober 2013 sei dann eine Liste mit 80 Personen geringerer Priorität an die 16 Landeskriminalämter verschickt worden. Auf dieser Liste stand auch der Name Edathy: "Dass es sich um den ehemaligen Abgeordneten handelte, war bis dahin nicht bekannt. Jeder wurde auf dieser Liste gleich behandelt", so Ziercke. Das LKA Niedersachsen habe dann eine Anfrage zur Bestelladresse des Materials aus Kanada an die zuständige Polizei Nienburg/Schaumburg weitergeleitet. In der dortigen Polizeidienststelle habe der Name Edathy dann wie eine Bombe eingeschlagen.

Noch am gleichen Tag habe das BKA durch den Rückruf eines Beamten aus Nienburg erfahren, dass es sich um den SPD-Politiker handle. Ziercke selbst sei am Nachmittag des 15. Oktober unterrichtet worden und habe am 16. Oktober dann den damaligen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Klaus-Dieter Fritsche, informiert. Dazu sei er verpflichtet gewesen, betonte Ziercke.

Wolfgang Bosbach, der den Bundestag-Innenausschuss leitet, ließ keinen Zweifel an den Angaben Zierckes. Der CDU-Politiker möchte vielmehr wissen, was Oppermann mit seinem Anruf bei Ziercke überhaupt bezwecken wollte. Auf diese Frage müsse der SPD-Fraktionschef am späten Nachmittag eine plausible Antwort liefern. Oppermann, SPD-Chef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Innenminister Thomas de Maizière müssen am Nachmittag ihre Rolle in der Edathy-Affäre erörtern.

Seehofer: Die SPD ist am Zug

Bosbach, der als Vorsitzender den Innenausschuss leitet, glaubt in der Affäre um den zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy an einen Tippgeber. "Ich gehe davon aus, dass Herr Edathy gewarnt worden ist", sagte Bosbach. Er rief die geladenen Personen zur Aufklärung auf. Sonst werde eine parlamentarische Untersuchung wahrscheinlich. Wenn in der Sitzung des Innenausschusses "gemauert" werde, würden die Rufe nach einem Untersuchungsausschuss immer lauter werden, sagte Bosbach dem WDR. Wer das vermeiden wolle, sollte "Klartext reden", verlangte der CDU-Politiker.

CSU-Chef Horst Seehofer schließt einen Tag nach dem Krisengespräch mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Gabriel weitere personelle Konsequenzen nicht aus. "Jeder Anschein von Mauschelei muss vermieden werden, gerade von einer großen Koalition mit so breiter Mehrheit. Die Aufklärung muss vollständig sein - notfalls auch bis hin zu möglichen personellen Konsequenzen", sagte Seehofer. Zunächst seien nun aber Bundestag und Justiz gefragt. Auch einen Untersuchungsausschuss will Seehofer nicht ausschließen.

Nachdem Vertrauensverlust werde nun ein Arbeitsverhältnis praktiziert, so der CSU-Chef. Vertrauen müsse erst wieder hergestellt werden. Die SPD sei nun am Zug. Seehofer betonte aber, er erwarte kein Einlenken der SPD bei Sachthemen. "Es darf unter keinen Umständen einen Kuhhandel geben. Das ist Auffassung aller drei Parteivorsitzenden."

Oppermann hat sein Bedauern über den Rücktritt von Friedrich geäußert. "Mir tut aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde", sagte Oppermann vor seinem Auftritt zur Affäre Edathy im Innenausschuss des Bundestags. "Es tut mir auch persönlich leid." Trotz aller politischen Rivalität hätten beide bei den Koalitionsverhandlungen einander schätzen gelernt. "Ich bin absolut überzeugt, dass er nichts Unrechtes tun wollte", sagte Oppermann über Friedrich.

Seehofer hatte sich am gestrigen Abend mit Merkel und Gabriel zusammengesetzt, um zu klären, wie das durch die Edathy-Affäre angeknackste Vertrauen wieder hergestellt werden kann.