Prozess wühlt Frankreich auf
Der Fall Valérie Bacot: Frau erschießt Vergewaltiger-Ehemann - Petition fordert Freispruch

Valérie Bacot steht im französischen Chalon-sur-Saône vor Gericht, weil sie ihren Mann getötet hat. 2016 nahm sie eine Pistole und schoss ihrem Ehemann Daniel Polette einmal in den Nacken. Der 25 Jahre ältere Mann starb, nachdem er die damals 35-Jährige jahrelang vergewaltigt, zur Prostitution gezwungen und vier Kinder mit ihr gezeugt hatte. Hunderttausende fordern nun einen Freispruch für die Angeklagte.
Valérie Bacot wurde von ihrem Stiefvater schwanger
Valéries Mutter lernte Daniel kennen, als ihre Tochter zwölf Jahre alt war. Das Mädchen nannte den Mann ihren Stiefvater nachdem dieser eine Beziehung mit der Mutter einging. Doch immer wieder, wenn die Tochter seiner Lebensgefährtin von der Schule nach Hause kam, soll er das Mädchen missbraucht haben. Das erste Mal als Valérie zwölf Jahre alt war. Jeder im Dorf habe es vermutet, aber niemand habe etwas gesagt, schreiben die Unterstützer der Angeklagten in ihrer Online-Petition auf „change.org“. 1995 habe dann ein Familienmitglied Verdacht geschöpft und den Mann angezeigt. Daniel wurde wegen Kindesmissbrauchs zu einer Haftstrafe verurteilt.
Nachdem er seine Strafe abgesessen hatte, kehrte er zu Valéries Mutter zurück und begann erneut, die inzwischen 17 Jahre alte Tochter seiner Partnerin zu vergewaltigen. Das Mädchen wurde schwanger und flog zuhause raus. Weil die Jugendliche nicht wusste, was sie sonst tun sollte, erklärte sie sich schließlich bereit, ihren Peiniger zu heiraten, um mit ihm ihr Kind großzuziehen. Es folgen drei weitere gemeinsame Kinder.

Peiniger zwang Valérie Bacot zur Prostitution und zeugte vier Kinder mit ihr
„Während ihres gesamten Ehelebens litt Valérie Bacot täglich unter physischer und psychischer Gewalt“, schreiben ihre Unterstützer auf der Homepage, die sie zur Unterstützung der Angeklagten eingerichtet haben. Daniel habe seine Frau fast vollständig von der Außenwelt isoliert, sie geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt. Immer wieder muss sich Valérie prostituieren. Sollte sie ihn verlassen, würde er sie und ihre Kinder umbringen, drohte Daniel immer wieder. Mehrfach sollen die Mutter und die Kinder versucht haben, sich bei der Polizei Hilfe zu holen – vergeblich.
Irgendwann soll Valérie dann die Pistole ihres Mannes genommen und abgedrückt haben. Zwei ihrer Kinder halfen, die Leiche des Vaters zu vergraben. Dafür wurden die beiden 2019 zu Bewährungsstrafen von je sechs Monaten verurteilt, wie die Anwältin der Frau in einem CNN-Interview bestätigte.
Valérie Bacot meint, sie habe aus Notwehr gehandelt
In ihrem Bestseller „Tout Le Monde Savait“ (Deutsch: Jeder wusste es) beruft sich Valérie Bacot auf Notwehr. „Eines Tages hätte er uns mit der gleichen Waffe in einem anderen Wald getötet, genauso wie ich ihn getötet habe“, schrieb sie in ihrem Buch. Sie habe auch ihrer Tochter im Teenager-Alter das gleiche Schicksal ersparen wollen. Die Anklage sieht das anders. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll die heute 40-Jährige vorsätzlich gehandelt haben. Darum muss sich Valérie nun wegen Mordes vor Gericht verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht ihr eine lebenslange Haftstrafe.
Der Fall ähnelt dem von Jacqueline Sauvage. Die 66-Jährige hatte nach 47 Jahren Ehe-Hölle ihren Mann erschossen. 2016 wurde sie nach zehn Jahren im Gefängnis von Frankreichs Staatschef Francois Hollande begnadigt.
Valérie Bacots Unterstützer meinen, sie hat schon genug gelitten
Valéries Unterstützer fordern einen Freispruch für die vierfache Mutter – selbst, wenn das Gericht als Mord bewerten sollte, was Valérie getan hat. Sie habe immerhin schon 25 Jahre lang unter ihrem Peiniger und unter der allgemeinen Gleichgültigkeit gelitten. „Wir müssen über sie sprechen, ihre Geschichte erzählen, sie nicht ihrem Schicksal überlassen“, steht in der Petition. „Für sie, wie für all die vielen Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind.“ Fast 597.000 Menschen (Stand 21. Juni 2021) haben die Petition für Valéries Freiheit bereits unterzeichnet.