Suff-Party Deluxe statt gähnender Stille
Wie Darts zum Hype wurde - und was dahintersteckt

Es gibt Sportverbände (mit vier Buchstaben), bei denen sich der geneigte Fan fragt, ob der Verband überhaupt überhaupt im Sinne seiner Fans handelt. Bei der Professional Darts Corporation (PDC) gibt es diese kritischen Stimmen nicht. Selbst während der Corona-Pandemie geht es für die PDC bergauf, denn seit zwei Jahren besitzt sie das Monopol im Darts-Zirkus. Wie sie der Sportart das Image eines Zeitvertreib für betrunkene Pub-Besucher nahm, ohne den Kern des Spiels zu verändern, ist bemerkenswert.
Ausgeflippte Ideen zahlen sich aus
Als die Gründer der PDC ihre Liga im Jahre 1992 an den Start brachten, wollten sie einfach eine Alternative zur damals alles überragenden British Darts Organisation (BDO) bieten. Mit unterhaltsamerer Atmosphäre, bei der der Fan gerne auch mit einem Bier in der Hand im Publikum sitzen darf und das Darts-Erlebnis zusammen mit dem restlichen Publikum zu einer Party werden lässt. Gerne gesehen sind auch Kostüme, je ausgeflippter desto besser. Und Jubeln? Kein Problem, einfach raus mit den Emotionen, es sind ja sowieso alle bester Laune. Und eine WM in die Weihnachtszeit zu legen, in der das sportliche Konkurrenzprogramm äußerst spärlich bestückt ist, war rückblickend ein echter Wurf in die Triple 20.
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Die BDO ging einen anderen Weg und präsentierte Darts als noblen Sport, bei dem die Fans – ähnlich wie beim Snooker – nur zwischen den Würfen die Stimme erheben. Das lässt die Kulisse nicht nur einfältig wirken, sondern macht auch das Darts-Spiel selbst extrem öde.

BDO pleite, PDC geht weiter steil nach oben
Welcher Weg der Erfolgreichere war? Nun ja, das Preisgeld der BDO betrug 2020 rund 25.000 Euro, bei der PDC-WM 2020 waren es satte 560.000 Euro – Tendenz steigend, trotz Corona-Pandemie. Übrigens gab Corona der sowieso schon finanziell angeschlagenen BDO den Rest, denn seit Sommer 2020 existiert der Verband nicht mehr, er ging schlichtweg pleite.
So hätte es der PDC auch gehen können, doch sie verstand, dass aus Darts kein „Nobel“-Sport à la Tennis oder Snooker gemacht werden kann. Die Kneipen-Gene mussten ein Bestandteil bleiben, ohne aber die Events zu einer reinen Sauf-Party verkommen zu lassen. Durch eine hervorragende Vermarktung gelang es, die Spieler mit ordentlich Preisgeld zu belohnen.
So entschieden sich im Lauf der Jahre immer mehr Teilnehmer, Darts als Profi auszuüben. Das Resultat sah man bei der WM: Das Niveau in der Weltspitze ist ausgeglichen wie nie – und höher denn je. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen ein Phil Taylor acht WM-Titel in Folge holte. Seit 2016 konnte kein Weltmeister mehr seinen Titel verteidigen.

Darts verdient den Sport-Status
Aus unprofessionellen Hobby-Spielern, die sich in den Pausen ein Bier aufmachten, wurden eiskalte Pfeil-Artisten, die trotz tausend schreienden Fans im Rücken mit chirurgischer Präzision in ihre Felder treffen. Mit Sicherheit fehlt dem einen oder anderen Spieler noch das athletische Aussehen, doch speziell die nachkommende Generation junger Darter sieht auch optisch aus wie echte Sportler. Dazu gesellen sich weiterhin einige Spieler, die es trotz offensichtlicher Fahruntüchtigkeit schaffen, WM-Spiele für sich zu entscheiden. Vielleicht nicht die besten „Role-Models“ für die jungen Zuschauer, aber trotzdem Teil der Show.
Nach wie vor gibt es einige, die den Dart-Sport belächeln und diesen nicht als selbigen bezeichnen. Ähnlicher Meinung war ich bis vor einiger Zeit ebenfalls, doch ich habe mich auf Darts eingelassen und der Zirkus hat mich mit all seine Facetten in seinen Bann gezogen. Jedem, der selbst schon einmal bei einem Turnier im Publikum saß (auch ohne Verkleidung), wird es ähnlich ergangen sein. Und eines ist klar: Darts ist heute bereits mehr Sport, als es der E-Sport je sein wird.