Maximale PR-Show in Saudi-Arabien
Ronaldo und Messi treffen sich zum Gipfel der Sportswashing-Schande
von Emmanuel Schneider
Lionel Messi trifft auf Cristiano Ronaldo. Das hätte früher mal Jubelstürme ausgelöst: Sportliche Relevanz allerdings hat das womöglich letzte Aufeinandertreffen der Fußball-Giganten absolut keine mehr. Es ist ein Offenbarungseid und Verbeugung vor dem Königreich Saudi-Arabien. Dieses bezahlt den Spaß auch.
Saudi-Arabien perfektioniert Sportswashing
Wer künftig etwas über Sportswashing wissen möchte, wird einfach auf Saudi-Arabien gucken. Der reiche und mit Öl gesegnete Wüstenstaat macht es vor. So geht Sportswashing. Also das Sich-besser-Darstellen durch Sportevents. Diese Woche ist ein fast schon perfektes Beispiel dafür. Erst tanzen die Stars aus Spaniens Fußball zum spanischen Supercup in Riad an, der FC Barcelona und Real Madrid, es folgen die italienischen Größen Inter und AC Mailand. Das sind nicht irgendwelche Teams, sondern Europas Elite. Man stelle sich vor: Bayern gegen Dortmund – in Dschidda oder Riad.
Lese-Tipp: Ronaldo besiegelt seinen sportlichen Abstieg in der Wüste
Die Krönung aber, sie folgt erst an diesen Donnerstag (18 Uhr). Dann treffen sich ein von jeweils Cristiano Ronaldo (37) und Lionel Messi (35) angeführtes Team zum Schau-Kick im König Fahd Stadion zu Riad. Es ist, man muss es so sagen, der Gipfel der Fußball-Sportswashing-Schande. Und das Debüt von Ronaldo im Al-Nassr-Trikot. Wenn Paris St.-Germain mit ihrem Weltmeister und Saudi-Tourismus-Werbefigur Lionel Messi zum Spiel gegen ein „All-Star“-Team von Ronaldo-Club Al-Nassr und Riad-Rivale Al-Hilal antritt, dann dient das eigentlich nur einem Zweck: Werbung für Saudi-Arabien. Eine Glitzer-Show für das verbissene WM-Projekt 2030, in der das erzkonservativ islamische Land im Verbund mit Ägypten und Griechenland den nächsten FIFA-Coup landen will.
Ronaldo und Messi lassen sich vor den Karren spannen
Werbung also für ein Land, das sich mit genau solchen Deals reinwaschen will, seine glitzernde Außenfläche polieren will, um all das Schlechte und Rückwärtsgewandte dahinter zu verstecken. Das Interesse im Land am Ronaldo-Messi-Gipfel ist riesig. Es gab offenbar eine massive Ticket-Nachfrage, ein Meet-and-Greet ist wohl für 2,5 Millionen Euro über den Tisch gegangen. Was alleine schon Irrsinn ist. PSG soll für den aberwitzigen Jet-Abstecher von Paris nach Riad zehn Millionen Euro bekommen.
Lese-Tipp: Formel 1 und Saudi-Arabien - Rennserie in der Sackgasse
Dass sich Fußball-Verbände wie in Spanien und Italien an Saudi-Arabien verkaufen, ist traurig genug, dass sich nun sogar zwei Weltstars die Klinke in die Hand geben, markiert einen Tiefpunkt. Ronaldo bekommt für seinen zweieinhalb Jahre bei Al-Nassr Medienberichten zufolge 500 Millionen Euro, Messi kassiert Kohle in unbekannter Höhe für seinen Werbedeal, postet dann eben mal ein #VisiSaudi-Bild von der Yacht. Was man als Werbemarionette eben so macht. Spanische Medien berichteten, dass Al-Hilal Messi ein Angebot von mehr als 300 Millionen pro Saison unterbreiten möchte. Es würde alle Rekorde sprengen. Messi in die Saudi-Liga zu Ronaldo? Ausgeschlossen scheint das alles nicht im Jahre 2023. In Riad könnten zumindest erste Gespräche laufen. Man ist ja vor Ort.
Lese-Tipp: Angelt sich Saudi-Arabien jetzt auch Lionel Messi?
Nun ist der Wüstengang bei Ronaldo der Nachweis seines tragischen Abstiegs auf der Fußball-Bühne, ein Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Bei Messi im dritten Frühling ist es zwar enttäuschend, aber auch nicht verwunderlich. Der Wunderstürmer, der fußballerisch über alle Zweifel erhaben ist (Ronaldo ja auch), nahm es in Spanien mit den Steuern nicht immer ernst, lässt sich von den Kataris bei PSG bezahlen und unterschrieb wie erwähnt den Werbedeal mit Riad (den Ronaldo offenbar ablehnte).
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Trotz Kritik: Sport-Stars kommen gerne
All das für ein Land, das Menschenrechte immer wieder mit Füßen tritt.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International prangern die schlechte Lage immer wieder an. Der Wahhabismus (strenge Auslegung des Islam) ist herrschend. Aktivisten und Andersdenkende werden verfolgt, sollen mundtot gemacht werden. Es herrscht die Todesstrafe. Unverheiratete Paare dürfen nicht zusammen wohnen (Ausnahme gilt für Ronaldo und Georgina). Die Rechte von Frauen und Homosexuellen werden beschnitten. Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sind alles, nur keine Realität im Land am Persischen Golf, wo Strafen auch mal per Peitschenhiebe erfolgen. Juristische Prozesse sind oft nicht transparent. Und. Und. Und.
Besonders brutal: Der Fall des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi, der 2018 offenbar in dem saudischen Konsulat in Istanbul zersägt wurde. Sein Tod ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Dennoch geben sich die Sport-Stars die Ehre. Für die Golf-Elite haben sie in Saudi-Arabien eine neue finanzkräftige Liga aus der Taufe gehoben, die Rallye Dakar fährt dort, Anthony Joshua boxte dort, die Formel 1 dreht inzwischen in Saudi-Arabien (und Katar) ihre Kreise. Oft lautet die Begründung, vor allem von Offiziellen oder Sportlern: Der Sport bewirke vor Ort ein Wandel hin zu mehr Freiheit, hin in die richtige Richtung, die Lage unterdrückter Menschen verbessere sich. Allein: Es gibt so gut wie keine Beispiele, die das nachhaltig unterfüttern. Eher das Gegenteil. Auf die Olympischen Spiele 2008 in China folgte keine Öffnung des Landes, die Winterspiele 2022 in Peking fanden unter noch schlimmeren Zuständen im Land statt.
Nun sollte man den Blick aber nicht nur nach Außen richten: Auch Alexander Zverev, die deutsche Nummer eins im Tennis, feierte sein Comeback bei einem Showturnier in Saudi-Arabien, die inzwischen geschasste DFL-Chefin Donata Hopfen wollte in ihrem vielbeachteten Interview Spiele deutscher Clubs in einem Land wie Saudi-Arabien zumindest nicht kategorisch ausschließen (später ruderte sie zurück). Der FC Bayern und sein Ärmelsponsor Qatar Airways ist schon seit Jahren ein Aufreger-Thema im Club.
Dass Sportler sich in der Öffentlichkeit offensiv dagegen wehren, ist selten. Die Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und Lewis Hamilton zum Beispiel nutzten ihre Popularität, um auf Missstände hinzuweisen. Allerdings haben die beiden auch ausgesorgt und sind nun entweder in Rente oder in ihren letzten Karrierejahren. Da lässt es sich auch leichter mit den mächtigen Machern und Verbänden anlegen.
Besorgniserregende Entwicklung
Die Entwicklung im Sportswashing ist besorgniserregend. Immer mehr Events landen in Saudi-Arabien, jüngst zeigte die die Fußball-WM in Katar das die schmutzigen Deals inzwischen die ganz große Bühne erreicht haben. Nun folgt der peinliche Superlativ-Kick der Saudi-gesponserten Messi und Ronaldo.
In Katar denkt man wohl schon einen Schritt weiter. Die katarischen Investoren sollen ihre Fühler nach der Premier League in England ausgestreckt haben. Im Visier standen wohl Tottenham Hotspur, auch Liverpool und Manchester United sollen Ziel einer Übernahme des katarischen Staatsfonds sein. Liga-Überraschung Newcastle United, ein altehrwürdiger Club, gehört seit 2021 mehrheitlich dem saudischen Staatsfonds. Der wiederum soll auch beim Ronaldo-Deal tatkräftig mit Scheinen geholfen haben.
Wenn all das ein Fingerzeig für Zukunft des Sports und des Fußballs ist, dann ist es ein sehr düsterer. Millionen oder Moral? Die Entscheidung scheint vielerorts eigentlich schon gefallen zu sein.