Party nur mit den Ärzten
Lars Ricken: Sein legendärer Champions-League-Lupfer wird 25!

Seinen eigenen Champions-League-Pokal hat Lars Ricken lieber in Sicherheit gebracht. Das kleinere Replikat des Henkelpott-Ungetüms mit den grotesk großen Ohren ist seit Jahren vom Wohnzimmer in den Keller verbannt. "Die Kinder haben es beim Spielen immer umgeworfen", sagt Ricken lachend. So verstaubt zwar die Trophäe, der Glanz des Augenblicks allerdings - der strahlt auch noch nach 25 Jahren wie am ersten Tag.
"Es gab einen Stolz aufs Revier"
Tausende Male hat der heutige Nachwuchsleiter von Borussia Dortmund erzählt, wie er am 28. Mai 1997 im Münchner Olympiastadion den Ball über Angelo Peruzzi hinweg ins Tor von Juventus Turin lupfte. Es ist eine magische Sekunde, das 3:1, unmittelbar nach seiner Einwechslung. Eine Sensation aus 25 Metern, später zum BVB-Jahrhunderttor gewählt, auch wenn Ricken sagt: "Das wird für die Leute jedes Jahr ein Meter mehr. Ich habe inzwischen schon gehört, das sei von hinter der Mittellinie gewesen."
Beim Interviewtermin des Sportinformationsdienstes mit dem Schalker Europapokalhelden Olaf Thon (die "Blauen" hatten eine Woche zuvor den UEFA-Cup geholt) wird geschwelgt und gefrotzelt - die "Eurofighter" waren damals in München im Stadion und wurden live zugeschaltet. "Es gibt das Gerücht, beim Anschlusstreffer durch Del Piero wärt ihr aufgesprungen", sagt Ricken mit Augenzwinkern, Thon antwortet: "Der eine oder andere vielleicht..."
Doch es gab es wirklich, dieses wunderbare Gefühl eines "Summer of 97", an jenen acht Tagen, in denen beide Pötte in den Pott kamen. Nur zu romantisierend sollte es bitte nicht werden. "Es gab einen Stolz aufs Revier, der in ganz Europa offensichtlich wurde. Das in die Welt zu tragen, war schon toll", sagt Ricken, schränkt aber fix ein: "Es ist da jetzt nicht zu Verbrüderungsszenen gekommen." Dafür kam es zu allerhand Kuriositäten. Man muss sich das wirklich so vorstellen, sagt Ricken (45), dass er damals vor der Münchner Nobeldisco P1 gestanden habe und Bier aus der Flasche trank - mit Rod und Bela B. von der Punkbank "Die Ärzte". Auf die große Party mit den Kollegen, auf Ausdruckstanz und schwitzige Männer-Umarmungen, hatte er keine Lust.
"Lupfen jetzt!"

Womöglich wusste er, was da kommen würde? Fortan wurden von Ricken, dem Posterboy der Bundesliga, Wunderdinge erwartet, die er logischerweise nicht in Regelmäßigkeit liefern konnte. Er hatte eine tolle Karriere, blieb immer in Dortmund. Die damals prophezeite Weltkarriere wurde es nicht.
Beinahe wäre es sogar nicht zum Traumtor gegen Juventus gekommen. Warum? Das hat Lars Ricken zum Jubiläum noch einmal dem kicker erzählt: Bei der Bundeswehr - er war sehr unregelmäßig in der Kaserne in Ahlen - gab es zwei Tage vor dem Finale eine Spindkontrolle. Alles war ordentlich, doch: Ricken hatte seine Waffenkarte offen liegen lassen.
"Theoretisch hätte sich jemand damit mein Gewehr herausnehmen und jemanden erschießen können", sagt Ricken. "Mir drohten drei Tage Bau." Er habe erwidert, das sei allerdings mit Gefängnis gerade terminlich ungünstig, er habe doch ein Endspiel zu absolvieren. "Wir haben uns auf einen Nachtdienst geeinigt."
Der Weg war frei - zu einer Sekunde für die Ewigkeit, untermalt von Marcel Reif: "Lupfen jetzt!" Und Lars Ricken lupfte. (tno/sid)