Er verzichtete auf Polizeischutz
Anschlag auf Kriminalreporter in Amsterdam: Deshalb lebt Peter R. de Vries so gefährlich
De Vries ist Vertrauter des Kronzeugen Nabil B. im Marengo-Prozess
Der berühmte Kriminalreporter Peter R. de Vries ringt im Krankenhaus mit dem Tod. Der 64-Jährige wurde niedergeschossen, am helllichten Tag, mitten in Amsterdam. Wurden ihm seine brisanten Recherchen zum Verhängnis? Es heißt, der Journalist hätte auf Polizeischutz verzichtet.
Amsterdam: "Marengo"-Bande wegen etlicher Morde vor Gericht
De Vries gilt als der führende Kriminalreporter der Niederlande. Regelmäßig tritt er auch als Sprecher von Opfern oder Zeugen bei Prozessen auf und ist zu Gast bei TV-Talkshows. International bekannt wurde der Reporter 1987 mit seinem umstrittenen Bestseller über die Entführung des Bierbrauers Freddy Heineken („The Kidnapping of Freddy Heineken“). 2008 gewannt er einen Emmy für seine Reportagen über den Fall von Natalee Holloway. Die 18-jährige Amerikanerin war 2005 auf Aruba verschwunden und vermutlich von einem Niederländer getötet worden.
Zum Verhängnis könnte dem 64-Jährigen jedoch der Fall geworden sein, an dem er zuletzt gearbeitet hat. Er vertritt den Kronzeugen Nabil B. im „Marengo“-Prozess gegen das organisierte Verbrechen als Vertrauensperson vor Gericht. Hauptangeklagter in dem Verfahren ist der Schwerverbrecher Ridouan Taghi. Der als skrupelloser Unterweltboss gefürchtete mutmaßliche Chef der international agierenden „Marengo“-Bande sitzt in Nieuw Vosseveld, einem Hochsicherheitsgefängnis, ein. Der 43-Jährige stand längere Zeit auf der „Most Wanted“-Liste der europäischen Polizeibehörde Europol, ehe er im Dezember 2019 in Dubai festgenommen und an die niederländische Justiz überstellt wurde. Er ist zusammen mit 16 seiner Bandenmitglieder der Rotterdamer Drogenmafia unter anderem wegen sechsfachen Mordes und mehrerer Mordversuche angeklagt. Der Prozess läuft seit März 2021 unter massivem Polizeischutz im Hochsicherheitsgerichtssaal „De Bunker“, Amsterdam.
30 weitere Videos
Anwalt des Kronzeugen: "Jeder, der sich in seinen Fall einmischt, wird erschossen“
Die Staatsanwaltschaft wirft Taghi vor, die kriminelle Vereinigung wie eine „gut geölte Tötungsmaschine“ geführt zu haben. Er soll an allen sechs Morden beteiligt gewesen sein, um die es in dem Prozess geht. Die Opfer waren entweder Kontrahenten aus dem Drogenmilieu oder Bandenmitglieder, die als Polizeispitzel verdächtigt wurden. Zwei weitere mutmaßliche Morde hängen mit dem Verfahren zusammen, werden aber gesondert behandelt: Kurz nach der formellen Eröffnung der Strafsache war im März 2018 der Bruder des Kronzeugen Nabil B. in Amsterdam erschossen worden. Auch der Anwalt von B. wurde Opfer eines Mordanschlags.
"Taghi hat gesagt, dass jeder, der sich in seinen Fall einmischt, erschossen wird“, sagte der ehemalige Anwalt von Nabil B., Oscar Hammerstein, der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt „Rijnmond“. Er sei überzeugt, dass der Angriff auf de Vries mit dem Fall zu tun habe. „Zuerst war es der Bruder des Kronzeugen, dann ein Anwalt. Jetzt ist es ein Mann, der ohne Rüstung rausgegangen ist.“ (cwa)