Gäste aus Politik & Wissenschaft diskutierten
Anne-Will-Talk über Lockerungen: „Es ist jetzt die Zeit dafür“

Wie weit dürfen Lockerungen für Menschen gehen, die vollständig gegen das Coronavirus geimpft sind? Darüber haben am Sonntagabend Gäste aus Politik und Wissenschaft in der Anne-Will-Show im Ersten diskutiert.
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Christine Lambrecht (SPD): „Grundrechte sind kein Bonbon“
Nun ist es raus: Wer vollständig gegen das Coronavirus geimpft ist, braucht sich bald nicht mehr an alle Einschränkungen zu halten. Das Kabinett will am Mittwoch einen Gesetzentwurf vorlegen, der möglichst noch diese Woche von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden soll. Was darin steht, ist schon bekannt:
Keine Tests mehr vorm Einkaufen oder dem Friseurbesuch,
Treffen mit mehreren Menschen gleichzeitig,
keine Ausgangsbeschränkungen in der Nacht. Aber: Maske und Abstandsregeln bleiben,
Restaurants und Cafés werden erst aufgemacht, wenn die Inzidenzrate weiter sinkt.
Einige Bundesländer sind schon mal vorgeprescht. In Bayern zum Beispiel sind schon seit vergangener Woche einige Gartencenter und Autokinos offen, in Schleswig-Holstein wird über die Öffnung von Hotels nachgedacht. Auch in NRW gibt es ab diesem Montag die ersten Lockerungen.
„Es gibt Licht am Ende des Tunnels, und die Grundrechte für vollständig Geimpfte können nicht länger eingeschränkt werden“, begründet Bundesjustizministerin Christine Lambrecht von der SPD die Gesetzesvorlage. Denn: „Grundrechte sind kein Bonbon und kein Privileg“.
„Die dritte Welle ist möglicherweise gebrochen“, glaubt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Nun komme es auf weitere Impferfolge an, sagt er. Noch in diesem Monat will er auch Betriebsärzte in die Impfkampagne einbinden, im Juni sollten dann auch die Schüler an die Reihe kommen. Wichtig sei, für das Impfen zu werben, besonders in den Städten, und hier vor allem in Problemvierteln.
TVNOW Doku "Zwischen Hoffnung und Tod - wer hat Schuld am deutschen Impf-Desaster?"
Könnten in Deutschland bereits mehr Menschen geschützt sein? Wer trägt die Schuld am Impf-Desaster? Die Bundesregierung? Die EU? Die Hersteller? Oder die Bundesländer? Die Dokumentation geht den Verantwortlichkeiten auf den Grund. Auf TVNOW: „Zwischen Hoffnung und Tod“
Wirtschaftsexperte Michael Hüther: „Zu Sonderlösungen kommen“

Gerade in diesem Punkt hat Söder einen Fürsprecher in Michael Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Er fordert: „Man muss jetzt mal zu Sonderlösungen kommen.“ Der renommierte Wirtschaftsforscher warnt vor einer „Bündelung von Risiken durch die Pandemie“ in sozial schwierigen Umfeldern.
Die Bewohner dort hätten nicht immer einen guten Draht zu ihren Ärzten, und so hätten sie mehr Probleme, Impftermine zu bekommen. Deswegen setzt er sich für eine Informationskampagne in Problemvierteln ein, um gerade dort die Menschen davon zu überzeugen, wie sinnvoll Impfen sei.
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Lambrecht über Einschränkungen in Pflegeheimen: „Schwierigste Entscheidung meiner Amtszeit“
Ein Ende der Einschränkungen ist besonders für Menschen in Pflegeheimen wichtig. Sie wurden vor allen anderen geimpft. Doch immer noch leben sie in erzwungener Isolation. Mit den Lockerungen der Regeln für Geimpfte soll sich auch das ändern. „Die Entscheidung zu treffen, dass Menschen in Pflegeheimen weniger kontakte haben, war eine der schwierigsten, die ich in meiner Amtszeit treffen musste“, sagt Justizministerin Lambrecht rückblickend. Für sie müssten Kontakte dringend wieder möglich sein. Das habe man bisher nicht beschließen können, weil die notwendige medizinische Beurteilung und die nötigen gesetzlichen Grundlagen fehlten.
„Viele sagen, die Lockerungen gehen zu weit. Aber es ist jetzt die Zeit dafür“, sagt die Ministerin. Damit sind eigentlich die Lockerungen in den Seniorenheimen gemeint. Jedoch nach fast anderthalb Jahren Corona dürfte Christine Lambrecht mit diesem Satz die Gedanken und Gefühle so ziemlich aller Zuschauer in Worte gefasst haben.