Eine Kippe verseucht ca. 40 Liter Grundwasser!
71 Milliarden Zigarettenstummel verseuchen in Deutschland jährlich den Boden
Frankreich will das Problem mit einem Gesetz angehen
Weltweit sind es 5,6 Billionen, Deutschland liefert davon ca. 71 Milliarden, die Rede ist von Zigarettenstummeln, die auf dem Boden landen. Sie sind überall. Auf dem Gehweg, am Straßenrand, unter Parkbänken: alle paar Meter liegen kleine, blasse Zigarettenkippen. Kunststoff-Teile mit braunem Papierüberzug, einfach weggeworfen, als würden sie sich schon irgendwann von selbst in Luft auflösen – wie Zigarettenrauch. Doch das tun sie nicht – und das ist ein großes Problem für die Umwelt, sagen Experten. Frankreich will das Problem nun mit einem Gesetz angehen. Wie genau die Kippen unser Wasser schädigen, zeigt Meeresbiologe Robert Marc Lehmannn unserem Video oben.
Test am Kölner Rheinufer: 925 Kippen in nur zehn Minuten gesammelt
Schon in der Vergangenheit haben RTL-Reporter am Kölner Rheinufer getestet, wie viele weggeworfene Zigarettenkippen sie zu viert innerhalb von zehn Minuten finden. Das Ergebnis: 925 eingesammelte Stummel auf einem Rasenstreifen von knapp 100 Metern Länge. Und die Kollegen haben längst nicht alle erwischt.
Die Teile aus Celluloseacetat sind unscheinbar – aber voller Giftstoffe. Beim Rauchen sammeln sich Nikotin, Arsen, Blei und viele andere Chemikalien in den Filtern. Und immer wenn es regnet, sickern diese Stoffe mit dem Regenwasser in den Boden oder in die Kanalisation. Nicht nur am Rheinufer, sondern deutschlandweit. Europaweit. Weltweit.
Eine Zigarette ist in fünf Minuten geraucht, aber sie belastet die Umwelt noch jahrelang. Mittlerweile gibt es einige wissenschaftliche Untersuchungen zur Kippen-Katastrophe. Und auch die sind erschreckend: Laut Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vergiftet schon ein einziger weggeworfener Zigarettenstummel schätzungsweise 40 Liter Grundwasser.
Vielen Rauchern ist das gar nicht bewusst, sagt Mario Merella aus Troisdorf. Er kämpft gegen diese Wissenslücke an und fordert: "Raucher sollten ihr Wegwerfverhalten ändern." Merella hat ein Recycling-System für Zigarettenkippen entwickelt. Sein Verein "TobaCycle" stellt Unternehmen und Kneipen spezielle Aschenbecher zur Verfügung, nimmt die aufgerauchten Kippen zurück und stellt daraus Kunststoffprodukte wie Taschen-Aschenbecher her. Wie genau das funktioniert, erklärt Merella im Video. Das Problem wurde lange genug übersehen, jetzt ist es erkannt und zieht Kreise: Bei Facebook verabreden sich "Kippen-Jäger" zu Sammelaktionen auf Festivals oder in Parks.
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Pro Zigarettenstummel gelangen zwei bis sechs Milligramm Nikotin ins Regenwasser
Auch Amy Green von der Technischen Universität Berlin sammelt regelmäßig aufgerauchte Zigaretten. Zu Forschungszwecken. Eine Erkenntnis daraus laut einer "ZDF"-Reportage: Pro Kippe gelangen zwei bis sechs Milligramm Nikotin ins Regenwasser. Nikotin ist nämlich leider sehr gut wasserlöslich. Es dauert nur 30 Sekunden, bis das Nervengift aus einem Filter gespült ist.
Und was passiert dann? Entweder es sammelt sich im Erdboden an oder im Grundwasser – oder es landet über Gullys und die Kanalisation in einer Kläranlage. Wird es dort herausgefiltert? "Nikotin und Cotinin – ein wesentliches Abbauprodukt des Nikotins – werden nach Ergebnissen verschiedener Studien zu über 90 Prozent in Kläranlagen eliminiert", teilte das Labor der Stadtentwässerungsbetriebe Köln auf unsere Anfrage mit. Immerhin.
Das ausgespülte Nikotin ist also halb so wild. Problematischer seien die übrigen Giftstoffe, die durch den Verbrennungsprozess beim Rauchen entstehen und "unbehandelt im Boden versickern". Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Arsen, Schwermetalle wie Cadmium, Blei und mehr.
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Welche Lösungen gibt es für die Kippen-Krise?
Die Welt wird zum Aschenbecher. Und wie kommen wir aus dieser Kiste wieder heraus? Ansatz 1: Jeder Raucher ändert sein Wegwerfverhalten (oder gibt das Rauchen gleich ganz auf). Ansatz 2: Die Tabakindustrie kommt für die Entsorgung der Kippen auf – ähnlich wie Batteriehersteller. Für diese Maßnahme setzen sich Experten der WHO ein. Und sie scheinen in Frankreich inzwischen Gehör gefunden zu haben. Die französische Regierung will der Tabakindustrie zukünftig ans Portemonnaie gehen, 80 Millionen Euro soll die pro Jahr berappen. Das so eingenommene Geld soll in Taschenaschenbecher, mehr Zigaretten-Mülleimer und neue Recyclingsysteme fließen.