Trotz Drohgebärden und zweifelhaften Rechnungen

Nach „Team Wallraff“-Enthüllungen: Warum bekommt DIESE Reinigungsfirma immer noch unsere Steuergelder?

Die Freie Universität Berlin wollte den Fall angeblich prüfen – und gibt der Firma jetzt erneut einen Auftrag!
Ein Undercover-Einsatz an der Freien Universität Berlin zeigte: Eine Reinigungsfirma, die hier tätig ist, schien dem Eindruck von „Team Wallraff“ nach jährlich Zehntausende Euro aus unseren Steuergeldern einzuheimsen, ohne die entsprechende Leistung dafür zu erbringen. Außerdem berichteten Informantinnen, sich von der Firma bedroht gefühlt zu haben. Jetzt hat die Uni Berlin den Reinigungsjob neu ausgeschrieben – und dasselbe Unternehmen noch mal beauftragt!

28.000 Euro ohne Leistungen eingesackt?

Undercover-Reporter Alex fängt im Januar dieses Jahres bei der Reinigungsfirma Capital Infradienst zur Probe an. Bei seinem ersten Einsatz soll an der Freien Universität Berlin (FU) ein Gebäudekomplex von 2.000 Quadratmetern geputzt werden. Wie sein Kollege ihm erklärt, hätten sie zu zweit dafür nach Vorgabe der Firma aber nicht 8,71 Stunden Zeit – für die die Firma aus Steuergeldern bezahlt wird – sondern nur vier. Zum einen unmöglich, in dieser Zeit für eine gründliche Reinigung zu sorgen, wie Alex und auch sein Kollege selbst finden. Zum anderen stellt sich die Frage: Was passiert mit dem restlichen Geld, nach Berechnungen von Team Wallraff immerhin rund 28.000 Euro pro Jahr?

Capital Infradienst schreibt damals hierzu:
„Soweit Sie unterstellen, es würden Arbeitsstunden gegenüber der FU [Freien Universität] abgerechnet, die nicht geleistet wurden, ist dies falsch. Falsch ist auch, es würden gegenüber der FU Leistungen im Gegenwert von 28.000,00 Euro abgerechnet, die tatsächlich nicht erbracht werden. Die vertraglich mit der FU per Leistungsverzeichnis vereinbarten Arbeitsstunden pro Tag werden erbracht und gegenüber der FU auch regelmäßig abgerechnet.“

Lese-Tipp: „Habe mich bedroht gefühlt!“ - „Team Wallraff“-Reporter Alex fürchtet erstmals um seine Sicherheit

Für uns fragwürdige Firma bekommt erneut Zuschlag

Das Team Wallraff informierte die Freie Universität Berlin über seine Recherche-Ergebnisse. „Wir werden Ihre Hinweise zum Anlass nehmen, um die Umsetzung der beauftragten Leistungen durch das Unternehmen zu überprüfen“, hieß es daraufhin.

Nun liegen dem Reporter-Team Informationen vor, dass die Uni verschiedene Reinigungsaufträge neu ausgeschrieben hat. In öffentlichen Vergabeverfahren werden diese Teilaufträge als Lose bezeichnet.

Auf Anfrage von RTL erklärt die Pressestelle der Freien Universität Berlin, der Grund für die neue Ausschreibung sei das Auslaufen der jeweiligen maximalen Vertragslaufzeiten. Und tatsächlich: Die nach Ansicht von Team Wallraff höchst fragwürdige Firma ist wieder mit dabei! „Im Rahmen eines aktuellen Vergabeverfahrens ist beabsichtigt, dem Bieter Capital Infradienst GmbH für ein ausgeschriebenes Los den Zuschlag zu erteilen“, heißt es – und zwar für das Los „Unterhaltsreinigung“.

Der Grund: „Das Unternehmen Capital Infradienst GmbH hat alle geforderten Vergabekriterien erfüllt und das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, sodass vergaberechtlich der Zuschlag entsprechend zu erteilen war“, so die Pressestelle. Doch wie kann die Leistung der Firma nach den Enthüllungen von Team Wallraff noch als „wirtschaftlich“ bezeichnet werden?

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Günter Wallraff: „Unhaltbare Arbeitsbedingungen”

Oliver Majowski, Sachverständiger für das Gebäudereiniger-Handwerk, stellt klar: „Die erneute Vergabe an das Unternehmen Capital Infradienst GmbH zeigt, dass es der FU vermutlich nur um das günstigste Angebot zu gehen scheint. Es wäre in dem öffentlichen Vergabeverfahren auch möglich gewesen, weitere Kriterien als nur den Preis zu berücksichtigen. Nach den Recherchen des Team Wallraff ist das Handeln der FU in dieser Form nicht nachzuvollziehen.”

Auch Günter Wallraff ist erschüttert, dass die Firma offenbar unbehelligt weitermachen darf: „Wieder erhält offenbar der billigste Anbieter den Zuschlag – die Kosten hingegen müssen scheinbar die Beschäftigten tragen. Wurden von uns aufgedeckte unhaltbare Arbeitsbedingungen bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt? Dabei haben unsere Recherchen beweiskräftig dokumentiert, mit welchen Methoden diese Firma ihre Arbeitskräfte ausgebeutet hat. Es ist bezeichnend, dass nicht mal ein öffentlicher Träger seiner Verantwortung gerecht wird und daraus Konsequenzen zieht!”

Die ganze „Team Wallraff”-Reportage „Schmutz und Gier - Undercover in der Reinigungsbranche” steht auf RTL+ zum Abruf bereit.

Exklusiv bei RTL+ seht ihr außerdem den Undercover-Einsatz von „Team Wallraff“-Reporterin Michelle. Wie Reinigungskräfte in Schulen ausgebeutet werden, wieso darunter die Schul-Hygiene leidet und welche Folgen dies auch für Schüler haben kann.