Mittelstand fordert Kurswechsel
Wirtschaft in NRW unter Druck – weniger Aufträge, mehr Zweifel
Schwächelnde Investitionsbereitschaft, Kurzarbeit und wachsender Frust: Beim Unternehmertag in Düsseldorf wurden klare Forderungen an die Politik laut. Besonders der Mittelstand macht die Ampelregierung mitverantwortlich für den Auftragsrückgang – und setzt nun auf den Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot. Doch nach dem Debakel bei der Kanzlerwahl im ersten Durchgang wachsen die Zweifel.
Weniger Aufträge – und der Staat als Schuldiger?
Beim Maschinenbauer JOEST in Dülmen ist die Stimmung angespannt. Das Unternehmen, das auf vibrierende Schüttgut-Technik spezialisiert ist, musste zuletzt Mitarbeiter entlassen und andere in Kurzarbeit schicken. Der Grund: ein drastischer Rückgang beim Auftragseingang – etwa 15 Prozent weniger. Für Geschäftsführer Alexander Moormann ist klar, wer das zu verantworten hat: die Politik. Vor allem die ehemalige Ampelkoalition habe bei vielen Kunden für Verunsicherung gesorgt. Die Folge: Großprojekte würden derzeit nicht entschieden, Investitionen auf Eis gelegt. Nicht die Preise oder Lieferzeiten seien das Problem – sondern die fehlende Planungssicherheit.
Hoffnung auf neuen Kurs – doch der Auftakt enttäuscht
Gerichtet sind die Hoffnungen der Wirtschaft nun auf die neue Bundesregierung. Noch am Vorabend der – zumindest im ersten Anlauf – gescheiterten Kanzlerwahl zeigt sich die Unternehmenswelt beim Unternehmertag NRW in Düsseldorf vorsichtig optimistisch. In der Rheinterrasse versammeln sich jährlich Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften. Arndt Kirchhoff, Präsident der „unternehmer nrw“, formuliert klare Erwartungen: Es brauche endlich konkretes Handeln – vor allem, um wieder für wirtschaftliches Wachstum und positive Stimmung zu sorgen.
Bürokratie, Energiepreise, Löhne: Die Liste ist lang
Auch die Industrie- und Handelskammer NRW äußert sich deutlich: Weniger Regulierung, weniger Kosten und keine deutschen Sonderwege bei der Umsetzung von EU-Recht. Ralf Stoffels, Präsident der IHK NRW, betont: Wettbewerbsfähigkeit beginne bei fairen Rahmenbedingungen. Dazu gehörten niedrigere Energiekosten, weniger Bürokratie und eine Reform der Lohnnebenkosten. Die Unternehmen in NRW stünden unter Druck – Reformen müssten jetzt kommen, nicht irgendwann.
Wüst zeigt Entgegenkommen – und signalisiert Reformbereitschaft
CDU-Chef Friedrich Merz sollte eigentlich die Festrede halten. Am Vorabend der Kanzlerwahl bleibt er allerdings in Berlin. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst springt als Redner ein. In seiner Rede geht er auf eine der zentralen Forderungen ein: den Abbau von Bürokratie. Dabei zeigt sich Wüst auch kompromissbereit – und stellt sogar Machtverzicht der Länder in Aussicht, wenn dadurch schnellere Entscheidungen möglich werden. Deutschland müsse effizienter werden, vor allem durch Digitalisierung, so der Ministerpräsident. Zurück in Dülmen, zurück bei JOEST. Geschäftsführer Alexander Moormann äußert sich zwar weiterhin hoffnungsvoll – doch nach dem Debakel des gescheiterten ersten Wahldurchgangs auch zunehmend skeptisch. Sechs fehlende Stimmen, ein verpatzter Start: Das wirft Fragen auf. „Das Vertrauen will ich jetzt noch nicht verlieren“, sagt Moormann, „aber man fragt sich schon: Haben Sie Ihre Fraktion wirklich im Griff?“ Die Zeit des Wartens soll vorbei sein – die Wirtschaft erwartet jetzt Taten von schwarz-rot.