Stress wegen vorgezogener Neuwahl

Wählen per Brief - fast jeder Zweite nutzt die Briefwahl

So gut wie alle Wahlunterlagen mit den Anträgen zur Briefwahl wurden in NRW verschickt. Immer mehr wählen per Brief. Das sorgt aber auch für Kritik. Und ist für einige Kommunen herausfordernd.

Stress vor der Bundestagswahl

Die Mitarbeiter im Wahlamt in Köln haben alle Hände voll zu tun. Sie verpacken Stimmzettel für Deutsche, die im Ausland leben und dort ihr Kreuz per Brief machen. Keine drei Wochen mehr: Dann ist Bundestagswahl. Das vorgezogene Datum sorgt bei den Mitarbeitern für Schweiß auf der Stirn. Normalerweise haben Astrid Alzer-Lambertz und ihre Kollegen dreimal so viel Zeit zum Vorbereiten. „Selbstverständlich kommt da Stress auf. Das bleibt gar nicht aus, weil viele Sachen auch kurzfristig nochmal abgeändert werden müssen. Und man muss sich dann kurzfristig halt eine andere Lösung überlegen. Es ist eine sehr stressige Zeit“, sagt sie.

Immer mehr wollen per Brief wählen

Heißt auch: Urlaubssperre und Überstunden. In der Domstadt wählt mittlerweile sogar die Hälfte per Brief. Das ist mehr Arbeit und teurer, so der Wahlamtsleiter Andreas Zinn: „Wenn Sie Ihre Stimme im Wahllokal abgeben, dann liegt da sozusagen für Sie der Stimmzettel. Sie füllen den aus und werfen den auch gleich wieder in die Urne ein und das war’s. Für die Briefwahlunterlagen ist es so, dass grundsätzlich erst mal Porto entsteht, für den Versand der Briefwahlunterlagen.” Die Kosten übernimmt der Steuerzahler.

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Kritik an der Briefwahl

Verfassungsrechtler Markus Ogorek sieht aber noch aus einem ganz anderen Grund die Briefwahl kritisch: „Sie haben ja ihre Stimme bereits abgegeben. Das heißt, möglicherweise distanzieren sie sich am Wahltag bereits von ihrer eigenen Wahlentscheidung, haben aber keine Handhabe mehr, daran etwas zu ändern.” Außerdem werden womöglich die Wahlgrundsätze nicht alle eingehalten. Die lauten: Jeder Deutsche ab 18 darf wählen. Wenn er seit mindestens drei Monaten in Deutschland wohnt. Egal, welches Geschlecht, Einkommen oder Beruf. Das Ganze erfolgt direkt - ohne Druck oder Manipulation. Jede Stimme zählt gleich. Abgestimmt wird geheim. Genau da hat Markus Ogorek bei der Briefwahl seine Zweifel: „Der Grundsatz der geheimen Wahl ist dann nicht garantiert. Wenn die Großmutter am Küchentisch die Wahlunterlagen ausfüllt, im Beisein der Enkelin. Der Grundsatz der freien Wahl und der Grundsatz der Öffentlichkeit, der Wahl, der verlangt, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl einer Kontrolle, einer öffentlichen Kontrolle zugänglich sind.“
Aber oberstes Ziel bleibt: Jeder, der will, soll wählen können. Auch, wenn er im Urlaub oder krank ist. Deshalb bleibt die Briefwahl, so das Bundesverfassungsgericht. Eine Ausnahme ist das Abstimmen per Post mittlerweile allerdings nicht mehr. Bei der Bundestagswahl 2021 haben mehr als 47% per Brief gewählt.

Fristen für die Briefwahl

Wer trotzdem nicht ins Wahllokal will oder kann, sollte am besten sofort den Antrag stellen: Per Handy oder Post. Bis zum 21. Februar ist das auch noch beim Wahlamt möglich. Dort muss der ausgefüllte Stimmzettel spätestens bis zum 23. Februar um 18 Uhr vorliegen.