Opposition will Antworten Polizeischuss auf Gehörlose (12) als Thema im NRW-Landtag
Die zwölfjährige Gehörlose, die bei einem Polizeieinsatz in Bochum durch einen Schuss schwer verletzt wurde, ist inzwischen wach und ansprechbar. Im Düsseldorfer Landtag sorgte der Einsatz für eine hitzige Sondersitzung, in der NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der Opposition schwierige Fragen beantworten sollte.
Reul im Landtag
Zu Beginn der Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag am Freitag (28.11.) betonte NRW-Innenminister Herbert Reul, die Zwölfjährige sei mittlerweile wach und ansprechbar. Zugleich machte er deutlich, dass viele Fragen noch offen seien: „Warum war keiner dabei? Was ist mit dem Arzt? Was ist mit der Situation mit dem Mädchen? Ich war nicht dabei. Deswegen kann ich keine Frage von mir aus abschließend beantworten.“ Reul verwies auf das laufende Ermittlungsverfahren und betonte, endgültige Bewertungen könne er derzeit nicht abgeben.
Neue Details zum Schuss
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft fiel der Schuss auf das Mädchen nicht in der Wohnung, wie zunächst angenommen, sondern im Treppenhaus. Die Polizisten sollen sich zuvor zurückgezogen haben, weil sie einen Messerangriff befürchteten. Einer der Beamten schoss dann aus rund zwei Metern Entfernung auf die Zwölfjährige. Der Anwalt des Mädchens, Simón Barrera González, widerspricht dieser Version entschieden. Er sagt: „Es ist ganz eindeutig so, dass die familiären Zeuginnen und Zeugen mir gegenüber ausgesagt haben, dass zu keinem Zeitpunkt aus ihrer Sicht ein Messerangriff auf die Polizei stattgefunden hat.“ Damit stellt er die polizeiliche Gefahreneinschätzung grundsätzlich infrage.
Hintergrund des Einsatzes
Ausgelöst wurde der Einsatz, weil das Mädchen aus seiner Wohngruppe in Münster weggelaufen und allein zur Mutter nach Bochum gefahren war. In der Wohnung schloss sich die Zwölfjährige während des Polizeieinsatzes nach Angaben der Ermittler in der Küche ein. Die Beamten wollen gehört haben, dass jemand nach Messern suchte. Die Situation war zusätzlich kompliziert, weil das Mädchen, sein Bruder und die Mutter gehörlos sind. Ob und wie eine Verständigung zwischen Polizei und Familie möglich war, ist bislang ungeklärt – ein Gebärdendolmetscher war bei dem Einsatz nicht vor Ort.
Streit um Bodycams
Besonders umstritten ist, dass keiner der vier eingesetzten Polizisten seine Bodycam eingeschaltet hatte. Dabei erlaubt das Polizeigesetz sogar den Einsatz solcher Kameras in Wohnungen, wenn eine „dringende Gefahr für Leib oder Leben“ besteht. Bei Gefahr im Verzug muss die Polizei die Betroffenen zudem nicht vorab über das Einschalten informieren. Reul verteidigte die Beamten: „Bodycams werden als deeskalierende Wirkung eingesetzt. Das ist die Gesetzeslage. Es war ja nichts zu deeskalieren. In der Sekunde, wo das Mädchen raus stürmte mit Messer, theoretische Debatte: War da Deeskalation noch sinnvoll möglich, überhaupt machbar?“
Politische Forderungen und offene Fragen
Zum Einsatz der Bodycams erklärte die SPD-Innenexpertin Christina Kampmann: „Insgesamt ist es natürlich zu früh, darüber zu spekulieren. Dennoch haben wir als SPD beschlossen, dass es Sinn machen würde, den Taser zukünftig bei dessen Einsatz an die Bodycams zu koppeln.“ Weiter ungeklärt bleibt, ob die Polizei während des Einsatzes das Licht in der Wohnung ausgeschaltet hat – ein Punkt, der für die genauere Rekonstruktion der Situation entscheidend sein könnte. NRW-Innenminister Reul kündigte an, sich nächste Woche mit Gehörlosen-Verbänden zu treffen, um die Polizei künftig besser auf Einsätze mit gehörlosen Menschen vorzubereiten.


































