Aufbruch in der RuhrgebietsstadtBochum im Wandel – vom Opel-Werk zum modernen Wirtschaftsstandort

In Bochum stand früher eine der wichtigsten Autofabriken Deutschlands. Zehn Jahre ist es her, dass Opel die Produktion eingestellt hat – doch inzwischen arbeiten auf dem ehemaligen Werksgelände doppelt so viele Menschen wie zuletzt beim Autobauer. Nur wenig erinnert noch an die Zeit als dort Autos vom Band rollten.

Die alte Hauptverwaltung ist wegen Denkmalschutz geblieben. Der Rest wurde komplett umgekrempelt. „Wenn Sie alte Luftbilder sehen würden, würden Sie nichts mehr wiedererkennen“, sagt Ralf Meyer. Er ist der Geschäftsführer der städtischen Bochum Perspektive: „Wir mussten sehr, sehr stark nach Schadstoffen gucken. Wir mussten jeden Quadratmeter hier anfassen. Wir haben sehr, sehr viel kontaminierte Erde hier rausgeholt.“ Denn das Opel-Werk wurde 1961 auf einem ehemaligen Zechengelände errichtet. Strukturwandel also schon damals. Nur wenige Jahre später rollte in Bochum der erste Opel Kadett vom Band – das Werk wurde zum Stolz der Stadt.

Vom Opel-Aus zur neuen Wirtschaft

Doch dann der Schock: 2014 stellt Opel die Produktion in Bochum ein. 3.000 Menschen verlieren ihren Job. Und mit dem Arbeitsplatz auch einen Ort, der für viele fast wie ein zweites Zuhause war. „Man verliert einen Ort, in dem man 26 Jahre verbracht hat“, erzählte damals ein Opel-Lackierer. Für Bochum war klar: Es durfte kein jahrelanger Stillstand folgen. Tempo statt Dornröschenschlaf – das war die Devise. Schon kurz nach der Schließung rückten die ersten Bagger an, um das Gelände für neue Unternehmen vorzubereiten. „Viel Bürokratie, viel politisches Gezänk – das hatten wir hier nicht“, sagt Ralf Meyer. „Wir haben unkonventionelle Möglichkeiten gefunden, hier zusammenzuarbeiten.“

Viele Firmen statt ein Großkonzern

Das Konzept: Statt einen einzigen neuen Großkonzern anzusiedeln, setzte die Stadt auf viele mittelständische Unternehmen. Inzwischen arbeiten dort 6.300 Menschen in fast 40 Unternehmen – Tendenz steigend. Neben IT-Security-Firmen, Gesundheitsdienstleistern und Forschungslaboren hat sich auch DHL auf dem Areal angesiedelt. Der Logistikriese betreibt ein großes Paketzentrum mit 600 Arbeitsplätzen. „Für uns war es auch ganz wichtig, dass wir Arbeitsplätze schaffen für diejenigen, die nicht den höchsten Bildungsgrad haben“, erklärt Ralf Meyer.

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Tradition – in neuer Form

Doch Bochum bleibt auch eine Autostadt. Das US-Unternehmen Keysight hat dort ein Technologiezentrum für E-Mobilität aufgebaut. Entwickelt werden Testsysteme für Batterien und Ladegeräte – ein Markt mit Zukunft. „Wir haben natürlich erst mal noch eine Ausbaureserve“, sagt Michael Schugt, Standortleiter von Keysight. „Wir können noch Mitarbeiter einstellen. Das hängt dann davon ab, wie sich die Situation im Elektromobilitätsbereich und im Energiebereich vor allem entwickeln wird in den nächsten Jahren. Aber ganz klar: Trend nach oben.“ Auch Volkswagen hat das Potenzial der Stadt erkannt. In Bochum entwickelt die VW-Tochter VW Infotainment mit 1.200 Mitarbeitern digitale Technologien für die Fahrzeuge des Konzerns. „Wir haben ein großes Einzugsgebiet“, erklärt Pressesprecher Koen Van Hooste. „Bochum als Zentrum des Ruhrgebiets ist ein unglaublicher Talentpool. Und man sieht auch, dass die Universitäten hier die richtigen Studiengänge für uns anbieten. Das heißt IT und Cybersecurity.“

Was ist mit den Ex-Opelanern?

Der wirtschaftliche Aufschwung ist deutlich spürbar. Doch nicht alle profitieren vom Boom. Bei den beiden besuchten Unternehmen gibt es nur einen einzigen Ex-Opelaner. Und auch bei DHL sind es nur eine Handvoll. Insgesamt profitiert Bochum aber von dem Strukturwandel: Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 9,4 Prozent – deutlich niedriger als in vielen anderen Ruhrgebietsstädten. Auch die Gewerbesteuereinnahmen haben sich verdreifacht seit dem Opel-Aus. Der Neustart ist gelungen – aber eben nicht für alle.