Jede dritte Frau hat eine Fehlgeburt

Mama Stefanie berichtet: „Ich hielt mein totes Kind in der Hand”

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Stefanie schaut in die Erinnerungskiste für ihren toten Sohn Ben.

Plötzlich verwandelt sich ihre Schwangerschaft in einen Albtraum.
Vor elf Jahren ist Stefanie Gebers mit ihrem zweiten Kind in der 17. Woche schwanger, als sie starke Blutungen bekommt. Im Krankenwagen platzt ihre Fruchtblase − eine lebensbedrohliche Situation für ihr ungeborenes Kind. Dann erhält sie die wohl schlimmste Nachricht: Die Ärzte sagen Stefanie, dass ihr Baby nicht gerettet werden kann.

Plötzlich hält Stefanie ihr Baby in der Hand

Weitere Erklärungen bekommt Stefanie in dieser dramatischen Situation nach eigener Aussage nicht. Sie fühlt sich allein gelassen, fragt die Ärzte, ob sie auf Toilette gehen dürfe. Genau in diesem Moment kommt ihr Baby zur Welt. Plötzlich hält sie ihren kleinen Sohn Ben in der Hand. Doch Ben ist tot.

„Man sieht alles. Da ist alles dran”, erinnert Stefanie sich im Gespräch mit RTL. „In der 17. Schwangerschaftswoche haben die Kinder alles, die müssen nur noch wachsen. Es ist alles dran, alle Finger, alle Zehen, die Nase, die Ohren, die Augen sind ausgeprägt. (...) Er war wunderschön, aber ich war im ersten Moment sehr, sehr, sehr schockiert, weil ich da nicht mit gerechnet habe.”

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Kein Mutterschutz bei einer Fehlgeburt

Ben ist 21 Zentimeter groß, wiegt 120 Gramm - und ist eine Fehlgeburt. Für Stefanie bricht eine Welt zusammen. Doch einen Anspruch auf Mutterschutz hat sie nicht. Dieser besteht damals erst, wenn die Mutter sich bereits im sechsten Schwangerschaftsmonat befindet, wenn das Kind über 500 Gramm wiegt, bei der Geburt einen Atemzug macht oder einen Herzschlag hat.

Kriterien, die bei der Geburt von Ben nicht erfüllt sind. „Ich habe 17 Wochen lang meinen Sohn unter dem Herzen getragen. (...) Da hätte ich das sehr schön gefunden, einfach diese Anerkennung zu bekommen, dass ich da auch Mutterschutz habe.”

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Gestaffelter Mutterschutz ist jetzt Gesetz

Das hat sich mittlerweile geändert: Der gestaffelte Mutterschutz ist seit dem 1. Juni 2025 Gesetz. Frauen mit einer Fehlgeburt haben seitdem Anspruch auf Mutterschutz. Je länger die Schwangerschaft dauert, desto länger ist die Schutzfrist bei einer Fehlgeburt.

Bei einer Fehlgeburt ab der 13. Woche gibt es bis zu zwei Wochen Mutterschutz, ab der 17. Woche bis zu sechs Wochen und ab der 20. Woche dann den vollen Mutterschutz von bis zu acht Wochen.

Wie wichtig vor allem die seelische Erholung nach einer Fehlgeburt ist, erklärt Pränatalmediziner Dr. Armin Neumann: „Diese Frauen sind massiv belastet. Man spürt, dass dort ein Trauma stattgefunden hat, was immer wieder mitschwingt. Und wenn man Frauen zuhört, dann hört man häufig, dass sie noch von ihren Fehlgeburten über viele Jahre sprechen, die auch nicht vergessen. Das heißt, es sind seelische Wunden, die nur sehr langsam heilen.”

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„Wir haben gemeinsam geweint”

Auch für Stefanie und ihre Familie war eine Auszeit nach dem Tod von Ben wichtig. Gemeinsam haben sie einen Urlaub gemacht. „Gerade mein Mann und ich haben viel zusammengesessen, auch gemeinsam geweint.“ Und sie haben ihren eigenen Umgang mit Bens Tod gefunden. Bis heute bekommt Stefanie von Freunden zu Bens Geburtstag Karten. Diese sammelt sie in einer Erinnerungskiste. Auch auf jedem Familienfoto ist ein kleiner Bär, der symbolisch für Ben steht.

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Ein kleiner Bär mit einem Stern (unten links) erinnert an Ben.

Gleichzeitig beginnt Stefanie zu kämpfen: Sie und eine Bekannte gründen den Verein Sterneneltern in Achim. 30 Ehrenamtliche helfen im Verein. Viele Paare bekommen hier die Unterstützung, die sie nach einer Fehlgeburt brauchen.

Stefanie ist es besonders wichtig, dass sich niemand alleine fühlt: „Natürlich gibt es auch heute noch Tage, wo ich traurig bin, dass mein Sohn nicht bei mir sein kann, weil Trauer hat einfach kein Verfallsdatum. Aber ich bin ihm unglaublich dankbar für das, was er mir gegeben hat. Für die Leute, die ich kennenlernen durfte. Für den Verein, den ich begleiten darf. Und das wiederum macht es mir leichter und macht mich auch stolz.”

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Stefanies Kampf geht auch trotz der Gesetzesänderung weiter − damit auch Frauen vor der 13. Schwangerschaftswoche einen Anspruch auf Mutterschutz bekommen. Denn für Stefanie ist es egal, in welcher Woche der Schwangerschaft ein Baby stirbt, der Verlust und Schmerz hänge nicht mit der Dauer zusammen.