Streit um Rente mit 70
Vize-Kanzler stinksauer auf Wirtschaftsministerin: „Das ist ein Schlag ins Gesicht für viele”

Ein exklusives RTL-Interview mit Vize-Kanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) enthüllt riesigen Streit in der großen Koalition!
Es geht um die Rente. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte gefordert: „Wir müssen mehr und länger arbeiten.” Exklusiv bei RTL zählt der Vize-Kanzler von der SPD seine CDU-Kollegin jetzt an.
Lars Klingbeil (SPD) geht auf Konfrontationskurs zu Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)

Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil hat den Vorstoß von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche scharf kritisiert, das Rentenalter auf 70 Jahre anzuheben. „Sowas sagt sich ganz einfach, wenn man irgendwie im schönen Sessel in Berlin sitzt”, sagt Klingbeil RTL/ntv.
Indirekt warf er der CDU-Politikerin Lebensfremdheit vor: „Aber man sollte mal hinausgehen zu den Menschen ins Land, die als Dachdecker auf dem Dach stehen, die als Pflegekräfte arbeiten, die als Erzieherin arbeiten und sich wirklich kaputt machen und die schon Schwierigkeiten haben, bis 67 zu kommen”, sagt der SPD-Politiker.
„Diesen Menschen jetzt zu sagen, wir wollen, dass ihr noch länger arbeitet, das ist schon ein Schlag ins Gesicht für viele.” In den Koalitionsverhandlungen sei sehr klar gesagt worden, dass es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben wird. „Das ist verabredet zwischen Union und SPD. Was wir allerdings wollen, und darauf sollten wir uns konzentrieren, ist, dass wir Menschen, die in Rente gegangen sind, sagen: Wir sorgen dafür, dass es für euch attraktiver ist, noch weiter zu arbeiten, wenn ihr das wollt, auf freiwilliger Basis, damit mehr Geld überbleibt von dem Lohn.”
Wirtschaftsministerin sorgt mit Renten-Interview für Wirbel
Die CDU-Wirtschaftsministerin hatte am Wochenende mit einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Aufsehen gesorgt. Darin hatte Reiche verlangt, dass die Deutschen länger und mehr arbeiten müssen. „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen”, sagte die CDU-Politikerin.
„Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen”, sagte Reiche. Leider verweigerten sich zu viele zu lange der demographischen Realität. „Wir müssen mehr und länger arbeiten”, sagte Reiche. Es gebe viele Beschäftigte in körperlich anstrengenden Berufen. Es gebe aber auch viele, die länger arbeiten wollten und könnten.
Unternehmen berichteten ihr, dass ihre Beschäftigten am US-Standort 1.800 Stunden pro Jahr arbeiteten, in Deutschland aber nur 1.340 Stunden. „Im internationalen Vergleich arbeiten die Deutschen im Durchschnitt wenig”, kritisierte Reiche. Was im Koalitionsvertrag an Reformen stehe, werde auf Dauer nicht reichen. „Die sozialen Sicherungssysteme sind überlastet. Die Kombination aus Lohnnebenkosten, Steuern und Abgaben machen den Faktor Arbeit in Deutschland auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig”, sagte Reiche. Und hat jetzt richtig Ärger mit dem Vize-Kanzler am Hals. (mit dpa)