„Ich habe Glück gehabt”Amputierter Alexander kämpft nach schwerem Bahnunfall um ein neues Leben

Alexander Sauer zeigt seine beiden Hightech-Prothesen in seinem Wohnzimmer.
Alexander Sauer zeigt seine beiden Hightech-Prothesen in seinem Wohnzimmer.
Andreas Arnold/dpa

Er wollte nur eine Abkürzung nehmen..
Zu Unfällen zwischen Fußgängern und S- oder U-Bahnen kommt es immer wieder. Im Februar wurde in Frankfurt am Main (Hessen) ein junger Mann schwer verletzt, als er über die Kupplung zweier Straßenbahnwagen stieg. Beide Unterschenkel mussten Alexander Sauer infolgedessen amputiert werden. Der 30-Jährige erzählt nun seine Geschichte, um anderen Mut zu machen.

Frankfurt: Beidseitig die Unterschenkel amputiert

Es war nur ein Moment, eine verhängnisvolle Entscheidung, die das Leben von Alexander Sauer verändert hat. Im Februar wollte der 30-Jährige an der Haltestelle vor dem Frankfurter Hauptbahnhof den Weg abkürzen und über die Kupplung zweier Straßenbahn-Wagen steigen – da fuhr die Bahn an. Sauer wurde schwer verletzt, kam erst im Krankenhaus wieder zu sich und erkannte, dass ihm beidseitig die Unterschenkel amputiert werden mussten.

„Das war natürlich erst einmal ein extremer Schock“, erinnert er sich. Unter dem Einfluss der starken Medikamente sei er wieder eingeschlafen. Später sei ihm die Situation in Ruhe erklärt worden. Eine Schmerztherapeutin habe ihm Hoffnung gemacht, dass für ihn dank moderner Prothesen ein normales Leben mit wenigen Einschränkungen wieder möglich sein werde.

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„Als ich dann wieder so weit in der Lage war, selbst mit dem Handy im Internet zu schauen, habe ich mich ein bisschen eingelesen und das hat mich dann ein Stück weit wieder beruhigt“, sagt Sauer im Rückblick. Auf neuneinhalb Wochen Krankenhaus hätte eigentlich ein Reha-Aufenthalt folgen sollen, doch erst einmal gab es keinen geeigneten Platz.

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Erste Schritte mit den Prothesen

Erst Anfang Juli ging es damit los und einige Wochen später folgten die ersten Schritte mit den Prothesen. „Das war erst einmal extrem gewöhnungsbedürftig, insbesondere dadurch, dass man auf dem Boden nichts spürt“, erinnert sich Sauer. Um sich damit zu bewegen, brauche es viel Kraft. Zum Teil helfen die mit Motoren und einem Mikroprozessor ausgestatteten Prothesen mit.

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Mit den Prothesen zu trainieren, ist derzeit auch ein großer Bestandteil von Sauers Leben. Vor kurzem ist er die ersten Schritte draußen gegangen, ein großer Meilenstein. Der Prozess, wieder laufen zu lernen, sei sehr mühselig und viel langwieriger, als er gehofft habe, sagt der 30-Jährige: „Das braucht einfach seine Zeit, das muss ich auch lernen.“

Nach dem Unfall ist kaum etwas im Leben von Sauer wie vorher: Er lebt wieder bei seinen Eltern, Therapie-Termine bestimmen den Alltag. Da seine bisherige Wohnung nicht barrierefrei war, musste er eine neue suchen und feststellen, wie gering das Angebot ist. Doch nun steht der Umzug an.

Alexander Sauer zeigt einer seiner beiden Hightech-Prothesen in seinem Wohnzimmer.
Alexander hat in der Klinik auch einen Herzstillstand und vorübergehende Lähmungserscheinungen erlitten.
Andreas Arnold/dpa

Vor dem Unfall im Bewerbungsprozess

Barrierefreiheit war ein Thema, über das sich der 30-Jährige bisher keine Gedanken machen musste, nun bestimmt es einen Großteil seines Lebens. Vor dem Unfall hatte er sein Studium beendet, Mediaproduction und Publishing, und war mitten im Bewerbungsprozess. Sauer erzählt seine Geschichte, um anderen Menschen Mut zu machen. Dazu hat er auch mehrere Videos produziert und auf der Videoplattform YouTube hochgeladen. Ihm sei wichtig, zu sagen, dass es in jeder Situation Hoffnung gebe, sagt er. „Ich habe Glück gehabt, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“ Er habe in der Klinik auch einen Herzstillstand und vorübergehende Lähmungserscheinungen erlitten - all dies habe er glücklicherweise folgenlos überstanden.

Alexander Sauer hält seine beiden Hightech-Prothesen hoch.
Die Leistungen paralympischer Sportler machen Alexander Hoffnung, sagt er.
Andreas Arnold/dpa

Weitermachen und möglichst positiv bleiben

Es gehe darum, weiterzumachen und möglichst positiv zu bleiben, findet der 30-Jährige. Jeder handele wohl einmal fahrlässig oder komme ohne eigene Schuld in eine gefährliche Situation. „Dann sind es oft einfach nur Glücksmomente, die darüber entscheiden, ob was passiert oder nicht passiert.“ Ihm selbst machten auch die Leistungen paralympischer Sportler Hoffnung. „Das muss jetzt nicht zwangsläufig sein, aber das ist so ein kleines Ziel, was ich mir mal so im Hinterkopf behalte“, sagt Sauer.

220 Unfälle mit U- und Straßenbahnen gab es im vergangenen Jahr allein in Frankfurt, wie die Polizei mitteilt. Bei 13 davon wurden Menschen schwer verletzt, ein Unfall endete tödlich. „Im laufenden Jahr liegen die Unfallzahlen aktuell im niedrigen dreistelligen Bereich. Im Vergleich zum Vorjahr 2023 zeichnet sich ein Rückgang der Zahlen ab“, heißt es von der Polizei. (dpa, xes)