Wollte Ulrich F. (71) seinen Rivalen überfahren?

Bauernstreit eskaliert - Jagd mit dem Traktor auf den Nachbarn!

Ein Mann auf einer Anklagebank vor Gericht.
Ulrich F. (71) auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger. Der Prozess hat am Landgericht in Nürnberg stattgefunden.
Michaela Johannsen/RTL
von Michaela Johannsen

Ein Weiler in Haid (Oberpfalz) mit drei Häusern und einer kleinen Kapelle. Der erste Gedanke liegt nahe: Das ist ländliche Idylle pur. Aber in dem kleinen Ort tobt seit Jahren ein Bauernstreit, der verrückter kaum sein könnte.
Jetzt trafen sich die beiden streitlustigen Bauern Ulrich F. (71) und Alexander K. (44) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Denn Ulrich F. soll die „Zündschnur gerissen sein“, wie es Staatsanwältin Julia Schips ausdrückt.

Bauern aus Haid sollen sich seit Jahren bekriegt haben

Der Angeklagte Ulrich F. betritt den Gerichtssaal mit Fußfesseln, bewacht von zwei Polizeibeamten. Der Bauer wirkt gebrechlich, zittert und lächelt ein wenig, als er in den Gerichtssaal gebracht wird. Sieht so ein kaltblütiger Täter aus, der seinen Nachbarn mit seinem Traktor töten wollte? Zuschauer im Gerichtssaal sagen, Ulrich F. könne freundlich sein, aber auch „wie im Wahn“ austicken. „Er ist jähzornig.“ Sein wahres Gesicht habe er oft auf dem Hof gezeigt, aber auch am ersten Prozesstag, als er mehrfach laut lachte, auch als seine Opfer aussagten. Das ging so lange, bis Richter Dr. Markus Bader Ulrich F. stoppte.

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Ein idyllisches Landleben führen die beiden Bauern Alexander K. und Ulrich F. nicht. Im Gericht wird klar, schon seit Jahren sollen sich die beiden Bauern nicht grün sein. Die Streitereien begannen schnell, als Alexander K. nach Haid kam, dort als Rinderzüchter und Schweinebauer mit etwa 80 Tieren seinen Betrieb aufgebaut hat. Den Auslöser für die Streitereien weiß heute niemand mehr. „Man ist froh, nicht in dem Örtchen Haid leben zu müssen,“ sagt Staatsanwältin Schips. Es ist an mehreren Stellen immer deutlich geworden, wie sehr die Bewohner in diesem Ort zerstritten waren, „letztendlich Jeder mit Jedem.“

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Polizei rückte schon oft zum Schlichten an

Die Männer sollen auch mit Mistgabeln aufeinander losgegangen sein. Die Polizei musste häufig Streitereien schlichten. Immer wieder gab es Anzeigen. Letztlich waren es oft nur Nichtigkeiten, die in brutaler Gewalt endeten. Es gab aber auch heftigere Szenen. So soll der damals 11-jährige Sohn von Alexander K. mit seinem Kinderfahrrad zu nah am Haus von Ulrich F. vorbeigefahren sein. F. soll den Jungen deshalb mit Pflastersteinen beworfen haben.

Nach dieser Attacke gegen das Kind gab es bereits ein gerichtlich angeordnetes Annäherungsverbot. „Wer den ersten Stein geworfen habe,“ so sagt es der Verteidiger von Ulrich F. sei heute aber nicht mehr nachvollziehbar. Die Attacke mit dem Traktor sei ein „unschöner Endpunkt eines langjährigen Nachbarschaftsstreits“. Seit Alexander K. in das Dorf kam, soll es Streit gegeben haben. Der 44-jährige K. habe aber auch wesentlich dazu beigetragen. Er vermülle den Hof - „Messietum,“ nennt es der Verteidiger.

Ulrich F. attackierte sogar das Kind seines Nachbarn

Er würde sich „krakenartig“ ausbreiten und auch Müll auf dem Grundstück von Ulrich F. lagern. Zudem habe sich K. „Gegenstände von Ulrich F. angeeignet“. Seinen Transporter habe K. häufiger auf die Dorfstraße gestellt, denn die „gehöre ihm“, so der Verteidiger von Ulrich F. weiter. Erschwert würde die Situation, dass die Dorfstraße durch beide Höfe verläuft. Der Verteidiger erwähnt nicht, dass es offenbar auch Zeiten gab, in denen sich die Bauern gut verstanden, sogar ihr Bauernbrot geteilt haben sollen.

Ein Bauernhof mit Gegenständen.
Unter anderem streiten sich die Bauern um abgelegte Unrat.
Michaela Johannsen/RTL

Zum vorläufig letzten Höhepunkt der „Streithähne“ kam es am 20. August 2023, in der Nacht gegen 22.15 Uhr. Alexander K. stand auf der engen Straße vor seinem Stallgebäude, um nach eigenen Angaben Kisten auszuladen. Jedenfalls stand er im Weg. Sein Sohn saß im Auto. Genau in diesem Moment kam Ulrich K. mit seinem Traktor und wollte durch. Auf der Traktor-Schaufel transportierte er einen großen Strohballen. „Fahr weg oder ich schieb´ dich weg,“, soll F. seinem Nachbarn zugerufen haben.

Richter hat keine Zweifel an Tötungsvorsatz

Als Alexander K. nicht wegfuhr eskalierte die Situation und es knallt. Sieben Meter rammte Ulrich F. den Transporter über die Straße. Das Kind springt panisch auf die Straße, bleibt zum Glück unverletzt. Danach soll F. Jagd auf seinen Nachbarn gemacht haben. Er drückte ihn an einen Metall-Container. „Jetzt bist du fällig, du Drecksau“ und „Arschloch“ soll Ulrich F. gebrüllt haben. Danach soll F. noch mit einer Eisenstange in Richtung des Nachbarn gefuchtelt haben, rief: „Ich stech dich ab.“ Unglaublich, welche Kraft der 71-jährige entwickelt haben muss. Alexander K. war nach eigenen Angaben völlig überrascht von dem Angriff.

Auch Augenzeugen habe der Bauer bedroht. Dennoch gelingt es den Zeugen in dem Chaos, Rettungskräfte und Polizei zu verständigen. Alexander K. bekommt Atemprobleme. Eine Krafteinwirkung von etwa 300 Kilogramm soll für wenige Sekunden auf den Oberkörper eingewirkt haben. Das stellt später ein Sachverständiger fest. Nur weil der Container, an den er gepresst wurde, etwas nachgegeben habe, habe das Opfer überlebt, so sagt es die Staatsanwältin. An einem „Tötungsvorsatz“ würden keine Zweifel bestehen.

Eine Zufahrtsstraße zu einem Bauernhof.
Mehrfach habe Alexander K. die schmale Zufahrtsstraße blockiert.
Michaela Johannsen/RTL

„Mir ist egal, ob Herr K. verreckt”

Mit einem Rettungshubschrauber wird Alexander K. in eine Klinik geflogen. Erst dort wird klar, die Verletzungen sind glücklicherweise nicht lebensgefährlich. Ulrich F. fährt währenddessen seelenruhig nach Hause, lud sogar noch den Heuballen ab. Als die Polizei bei ihm klingelt, soll er nur gegrinst und sich mit unglaublichen Sätzen gerechtfertigt haben: „Mir ist egal, ob Herr K. verreckt. Er hat mich mit einem Baguette bedroht.“ Ulrich F. wird festgenommen. Sein Verteidiger sagt, es geht ihm gesundheitlich sehr schlecht in der U-Haft. Ulrich F. bereue, dass die Situation in der Augustnacht letzten Jahres eskaliert sei.

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Er möchte aber nicht ins Gefängnis und bietet an, seinen Hof in Haid zu verlassen. Es soll Ruhe einkehren im Ort. Zu seinem Nachbarn Alexander K. sagt F. im Gerichtssaal: „Ich möchte mich entschuldigen.“ Im Zuschauerraum ist zu hören: „Lasst’s ihn frei.“ Einige der Prozessbeobachter stehen hinter Ulrich F., geben auch dem Traktor-Opfer Alexander K. eine Mitschuld. Dieser wolle sich nur bereichern, den alten Nachbarn abzocken, sagt einer der Zuhörer. Trotzdem schickt Richter Dr. Bader Ulrich F. für 3 Jahre und 10 Monate ins Gefängnis. Dr. Bader sagt, Ulrich F. ist schuldig wegen versuchten Totschlags mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr. Außerdem muss der 71-Jährige seinen Führerschein für mindestens 3 Jahre abgeben.

„Unser Urteil soll ein deutliches Warnzeichen sein”

Der Richter ist davon überzeugt, dass der Bauer seinen Traktor als Waffe gegenüber seinem Nachbarn einsetzte. Prellungen, Schürfwunden und Ernteausfall sind die Folgen der Tat. Vor allem aber sei die Psyche belastet - bei Alexander K. und seinem Sohn, der die ganze Tat miterleben musste und unfreiwillig zum Opfer wurde, da er in dem gerammten Auto saß. Nachdem der Vater angefahren wurde, muss der 11-Jährige gedacht haben, sein Vater könne sterben. „Das ist schon heftiger Tobak, auch in der Oberpfalz nehme ich an“, so Richter Dr. Bader in seiner Urteilsbegründung. Ein Satz, den Ulrich F. nach der Tat gesagt hat, wiegt für ihn besonders schwer: „Mir egal, wenn der K. verreckt wäre.“

Dann wendet sich der Richter direkt an Ulrich F.: „Herr F., auf die Idee muss man erst mal kommen, wenn jemand sagt, ich fahr´ gleich weg, dass man den dann von der Straße schiebt. Unser Urteil soll ein deutliches Warnzeichen sein, dass das nicht toleriert wird.“