"Young Carer" - wenn Kinder pflegen
14-Jährige kümmert sich ganz alleine um kranken Vater
Wenn Kinder die Eltern pflegen
Lana war acht, als ihr Vater zum ersten Mal ins Krankenhaus musste. Er ist nierenkrank und hat Zysten im ganzen Körper. Zwei bis drei Krankenhausaufenthalte pro Woche sind zur Normalität geworden. Deshalb lernte die 14-Jährige schon früh, Verantwortung zu übernehmen. Wäsche waschen, putzen, kochen, bügeln – für Lana seither Alltag. Und ganz nebenbei geht sie noch zur Schule. Im Video nimmt uns die Achtklässlerin mit in ihr Leben.
Doch wie kann es sein, dass Kinder und Jugendliche bei der Pflege von Familienmitgliedern alleine gelassen werden? Wir haben mit einem Experten und Familienministerin Franziska Giffey gesprochen.
Eine Haushaltspflege erhält man nur bis zum 12. Lebensjahr
Lana Rebhan ist eine von 480.000 sogenannten „Young Carers“ in Deutschland. Sie gehört zu denjenigen Kindern und Jugendlichen, die ein Familienmitglied pflegen müssen. Das zumindest sind die offiziellen Zahlen.
Während andere aus ihrer Klasse nach Schulschluss abhängen, muss die 14-Jährige nach Hause, ihren Vater pflegen und den Haushalt machen. Und das ganz alleine. Ihre Mutter muss Vollzeit arbeiten, da die Familie kaum finanzielle Unterstützung bekommt. Unterstützung durch eine Haushaltspflege stand Lana nur zu, bis sie 12 Jahre alt war. Die Schülerin fühlt sich mit ihrer Situation alleine gelassen, und auch Psychologen oder Schultherapeuten konnten ihr nicht weiterhelfen.
Irgendwie schauen alle einfach weg
„Das ist eine enorme Belastung und Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen. Man will oft nicht darüber reden, weil man sich irgendwie schämt“, weiß Pflegexperte Claus Fussek. Seit 40 Jahren ist er in der Pflegeberatung tätig. Und ist noch immer erschrocken darüber, dass die jungen Leute in einer solchen Situation alleine gelassen werden. „Ich habe das Gefühl, man schaut einfach weg, und wenn dann doch mal jemand damit an die Öffentlichkeit geht, dann ist großes Erstaunen: Was, sowas gibt es?!“, sagt Fussek.
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Wo bleibt der Kinderschutzbund?
Wieso schreitet niemand ein? Wir haben beim Kinderschutzbund nachgefragt. Die Antwort fällt nüchtern aus:
Man wisse „noch zu wenig über die Situation von Kindern, die ihre Eltern pflegen, dieses Problem müsste besser erforscht werden, um konkrete Maßnahmen zu entwickeln.“
Lana will auf das Thema aufmerksam machen
Doch aufgeben kommt für Lana nicht in Frage. Sie geht in die Öffentlichkeit, erzählt von ihrem Alltag, von ihren Problemen, von ihrer ausweglosen Lage. Um andere zu ermutigen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und vor allem: Um etwas zu erreichen! Damit sie und auch andere Kinder mehr Unterstützung erhalten. Angefangen hat alles mit ihrer Webseite youngcarers.de. Dort berichtet die Jugendliche unter anderem aus ihrem Alltag mit ihrem schwerkranken Vater.
Endlich auch in der Politik angekommen: Familienministerin Giffey will Lana unterstützen
Jetzt bekam Lana von Familienministerin Franziska Giffey den Pflegekompass in Berlin überreicht. Vor Ort konnte sie sogar mit der Ministerin sprechen. „Ich denke, dass es sehr wichtig ist, sich den Einzelfall anzuschauen“, sagt Giffey. Dass die „Young Carers“ Unterstützung brauchen, weiß auch sie: „Wir haben unser Projekt Pausentaste, wo junge Menschen beraten werden, wo sie sich hinwenden und auch einfach mal aussprechen können.“ Giffey übergibt Lana ihre Visitenkarte und die Möglichkeit, sich in Projekte einzubringen und ihre Ideen weiterzugeben.
Diese Angebote reichen laut Lana nicht. Dennoch ist sie froh, dass das Thema auch endlich in der Politik und somit in der Gesellschaft anzukommen scheint: „Dass Frau Giffey jetzt auch einfach über das Thema geredet hat, hat mich stolz gemacht.“