Hilfe für Eltern drogenabhängiger Kinder
Wenn Eltern verzweifeln: "Bin ich schuld, dass mein Kind Drogen nimmt?"
Kampagne für Betroffene
von Henning Werle
Das eigene Kind ist drogensüchtig. Das zuzugeben ist für Eltern oft ein Tabu. Scham und Schuldgefühle sind zu groß. Was haben wir falsch gemacht? Um Eltern und Kindern zu helfen startete in Nordrhein-Westfalen eine bundesweit einmalige Kampagne – von Betroffenen FÜR Betroffene.
Eine Mutter erzählt ihre Geschichte
Eine von ihnen ist Nora Wagner. Wir haben den Namen geändert. Sie möchte unerkannt bleiben, um ihren Sohn zu schützen. Der 18-Jährige ist drogensüchtig. "Er hat sich total verändert, wir erkennen ihn einfach überhaupt nicht wieder" sagt sie unter Tränen. (Das Interview können Sie im Video ansehen.)
Immer wieder muss sie weinen, während sie ihre Leidensgeschichte erzählt: Ihr Sohn litt schon vorher an Depressionen. Dann kam der erste Joint, zuletzt spritzte er sich Heroin - bestellt im Darknet, geliefert frei Haus mit der Post. Der Abstieg: Rasend schnell: „Vor einem Jahr hat er sich nicht mal ungeföhnt an den Frühstückstisch gesetzt, momentan scheint ihm alles egal zu sein. Gerade der Konsum der Droge, das hat sein Wesen maßgeblich verändert. Und wir stehen völlig hilflos daneben."
Eltern geben sich oft selbst die Schuld
Drogen waren für Nora Wagner bis dahin ein Problem am Rand der Gesellschaft. Jetzt weiß sie: Es kann jede Familie treffen. Drogen zerfressen das Kind, Schuldgefühle die Eltern: „Viele von uns Eltern stellen sich die Frage: Was haben wir falsch gemacht, dass unsere Kinder diesen Weg einschlagen?"
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Eltern helfen Eltern
Hilfe findet die Mutter bei anderen Betroffenen - in einem sogenannten Elternkreis. Zuhören, trösten, stützen. Dafür will sie jetzt werben. Ihre Geschichte steht auf einem Plakat der Kampagne „Frageltern“ der Arbeitsgemeinschaft der Rheinisch-Westfälischen Elternkreise drogengefährdeter und abhängiger Menschen e.V. (ARWED) Die startete in Düsseldorf. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, hat die Schirmherrschaft übernommen. Sie stellt klar: „Sucht ist eine Krankheit, bei Krankheit gibts keine Schuldfrage. Wichtig ist es nach vorne zu blicken und zu fragen: Was kann ich jetzt in dieser Situation konkret tun: Für mein Kind, für mich, für andere Betroffene?"
Kaum Unterstützung von der Politik
Das passiert in den Elternkreise, die es bundesweit gibt. Mit der Kampagne fordern sie mehr Unterstützung auch aus der Politik, erklärt die Vorsitzende des Elternbündnisses ARWED, Christiane Erbel: „Es wird viel über Eltern und über Familie geredet, aber es wird nicht auf Augenhöhe mit uns geredet. Also macht uns ein bisschen Platz in euren Gremien und fragt uns, fragt Eltern."
Studie: Jeder Vierte Jugendliche hat schonmal Drogen konsumiert
Wie viele Familien betroffen sind, zeigt eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2019: Gut jeder vierte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren hat schon einmal Drogen angeboten bekommen. Jeder zehnte hat zugriffen. Die meisten probieren Cannabis. Weniger als ein Prozent nimmt harten Drogen wie Crack, Crystal Meth oder Heroin. Michael Harbaum von der Drogenhilfe Düsseldorf rät Eltern, mit den Kindern in Kontakt zu bleiben, zu reden, miteinander zu klären: „Weshalb konsumierst du, wie oft konsumierst du, wofür steht der Konsum für Dich und gibt es nicht auch Alternativen?"
Nora Wagner hat noch Kontakt zu ihrem Sohn. Sie versucht, ihm zu helfen. Was ihr hilft: Offen über seine Sucht zu sprechen. Das soll jetzt auch anderen Eltern Halt geben. Damit niemand diesen schweren Weg alleine gehen muss.