Haftbefehl gegen vier EU-Politiker wegen Korruptionsverdacht
Vize-Parlaments-Präsidentin Eva Kaili und Kollegen hatten 600.000 Euro Bargeld zu Hause
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Warum haben Menschen 600.000 Euro Bargeld zu Hause? Eine Summe, die vielleicht bei professionellen Pokerspielern oder Drogendealern zu erwarten wäre. Aber bei Politikern darf das mindestens als „ungewöhnlich“ bezeichnet werden. Weil man jede Menge Geld und anderes belastendes Material bei ihr fand, verliert die griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, sofort alle ihr übertragenen Befugnisse, Pflichten und Aufgaben. Dies ordnete Parlamentspräsidentin Roberta Metsola an. Insgesamt stehen fünf Politiker im Fokus der Behörden. Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter nach Medienberichten auch die 44-jährige Parlamentsvize.
Kaili verliert alle Befugnisse
Eine förmliche Absetzung Kailis kann nur das Parlament selbst beschließen. Metsola reagierte auf Ermittlungen der belgischen Justiz wegen mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM. Am Freitag gab es deswegen 16 Durchsuchungen und fünf Festnahmen - darunter auch Kaili.
Nach Informationen der Zeitung „L'Echo“ fanden Ermittler „Taschen voller Bargeld“ in Kailis Brüsseler Wohnung. Laut Staatsanwaltschaft wurden bei den Durchsuchungen 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. Die ehemalige TV-Moderatorin ist eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Sie saß für die Pasok-Partei im Parlament, die zusammen mit der SPD zur sozialdemokratischen Fraktion gehört. Aus ihrer Partei wurde sie schon ausgeschlossen, aus der Fraktion suspendiert.
SPD-Frau Barley : „Korruption ist Gift für die Demokratie“
Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley äußerte sich irritiert und enttäuscht. „Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift für die Demokratie“, sagte die Vizepräsidentin des Parlaments in der ARD.
Der Skandal könnte nach Einschätzung von Abgeordneten und Experten noch weitere Kreise ziehen. „Ich befürchte fast, dass wir noch nicht am Ende der Ermittlungen sind“, sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund dem „Münchner Merkur.“. Der Fall Kaili und die möglichen Verbindungen nach Katar zeigten, „wie offensiv Drittstaaten versuchen, Einfluss auf die europäische Gesetzgebung zu nehmen“.
Michiel van Hulten von der Organisation Transparency International EU erklärte, es handele sich nicht um Einzelfälle. „Über Jahrzehnte hat das Parlament geduldet, dass sich eine Kultur der Straflosigkeit entwickelt - mit einer Kombination laxer Finanzregeln und -kontrollen sowie ohne jede unabhängige ethische Aufsicht.“ Jeder ernsthafte Versuch, mehr Verantwortlichkeiten zu schaffen, sei abgeblockt worden. Es sei Zeit für tiefgreifende Reformen. (dpa/uvo)