Regierung hob fast alle Maßnahmen auf
Virologe Schmidt-Chanasit: Corona-Entwicklung in Großbritannien macht Hoffnung

Haben´s die Briten also doch richtig gemacht mit ihren Lockerungen? Am 19. Juli nahm die britische Regierung fast alle Corona-Beschränkungen zurück – und das, obwohl die Infektionszahlen zu dem Zeitpunkt drastisch stiegen. Stattdessen appellierte Premierminister Boris Johnson an die Eigenverantwortung der Menschen. In den Tagen darauf fielen die Infektionszahlen und stiegen zuletzt nur wieder leicht an. Für diesen Weg kommt jetzt Applaus von einem prominenten Virologen.
Viele Menschen in Großbritannien sind geimpft

„Die Entwicklung in Großbritannien zeigt, dass man nicht einfach behaupten kann: ‘Wenn wir fast alle Maßnahmen aufheben, läuft alles aus dem Ruder’. Wir sehen jetzt genau das Gegenteil", so der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Als Großbritannien den „Freedom Day“ ausrief, hatten 88 Prozent der Erwachsenen eine erste Impfung erhalten, knapp 68 Prozent waren sogar schon zweimal geimpft. Die Lage dort ließe sich also nicht eins zu eins auf andere Länder übetragen, so Schmidt-Chanasit: „Zumal in Großbritannien hauptsächlich der Impfstoff von AstraZeneca verwendet wurde und mehr Menschen bereits geimpft sind." Trotzdem sieht er die Entwicklung optimistisch: „Das macht doch Hoffnung, dass man durch die Impfungen so etwas erreichen kann, dass man trotz Aufhebung fast aller Maßnahmen auch sinkende Fallzahlen sieht und keine Überlastung des Gesundheitssystems."
Ein "Freiheitstag" auch für Deutschland?

Für Deutschland riet der Virologe weiter zur Vorsicht. „Und es ist vor allen Dingen ja immer auch eine politische Entscheidung", so Schmidt-Chanasit. Ob man einen „Freiheitstag" wie in Großbritannien mache, „müssen wir als Gesellschaft diskutieren".
Weitere Öffnungsschritte, zum Beispiel der Musikclubs, könne er als Virologe nicht entscheiden. Als Bürger sei für ihn aber ein Endpunkt erreicht, wenn alle ein Impfangebot erhalten hätten. „Aufgabe der Politik war es ja sicherzustellen, dass alle die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen und weiterhin daran zu arbeiten, noch besser zugängliche Impfangebote zu machen. Aber bezüglich der Grundrechtseinschränkung ist das sicherlich ein Wendepunkt, an dem man sich genau überlegen muss: können wir weiter Grundrechte einschränken?" (dpa/lve)