Vater soll Sohn (✝6) mit Holzkohlegrill getötet haben: Was trieb den Mann zu dieser Wahnsinnstat?

Als mutmaßlicher Mörder seines sechsjährigen Sohnes muss sich ein Vater vor dem Landgericht Ulm verantworten. Der heute 43-Jährige hat laut Anklage im Juli vergangenen Jahres versucht, das Kind und sich selbst durch Kohlenmonoxid zu vergiften - nur das Kind starb. Eine Tragödie, doch leider kein Einzelfall. Was treibt Männer dazu, ihre Kinder und sich selbst zu töten?
Von Christina Warnat

Nachbarn hatten sich nach Berichten der 'Südwestpresse' bei der getrennt lebenden Mutter des kleinen Jungen gemeldet, weil sie ihren Sohn seit Tagen nicht mehr gesehen hatten. Als die Mutter dem zusammen mit einem Bekannten nachging, habe der Bekannte Vater und Sohn durch ein Fenster reglos auf dem Bett liegen sehen.
Laut Anklage hatte der Vater in seinem Schlafzimmer in Munderkingen (Baden-Württemberg), in dem sein Sohn bereits schlief, einen Holzkohlegrill entzündet. Für den Sechsjährigen kam jede Hilfe zu spät, er starb an den giftigen Gasen, wie eine Obduktion ergab. Der Vater aber konnte reanimiert werden und wurde mit einer schweren Kohlenmonoxidvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Ex-Frau erlitt einen Schock und musste ebenfalls in einer Klinik behandelt werden.
Die Staatsanwaltschaft geht von einem sogenannten erweiterten Suizid aus. Das Motiv: Der Mann habe befürchtet, das Sorgerecht für seinen Sohn an dessen Mutter zu verlieren, von der er geschieden worden war. Laut Anklage hatte das Kind bis dahin beim Vater gewohnt, es sollte aber laut einer Entscheidung eines Familiengerichts zur Mutter ziehen. Damit habe sich der 43-Jährige nicht abfinden wollen. "Die Anklage bewertet die Tat als Mord, weil der Täter gegenüber dem ahnungslosen Kind heimtückisch gehandelt habe", erklärte der Sprecher des Ulmer Landgerichts, Richter Wolfgang Tresenreiter.
Hintergrund: Warum töten Väter ihre Kinder?
Eine Tat, die sprachlos macht - und die doch so häufig passiert. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Väter nach einer Trennung ihre Kinder und sich selbst auslöschen (Fälle ereigneten sich jüngst zum Beispiel in Bad Driburg. Untersenningen und Hamburg-Rothenburgsort) Doch was treibt einen Mann zu einem solchen erweiterten Suizid? Psychotherapeut Laszlo Andreas Pota sagt, dass neben vielen anderen Faktoren häufig auch ein anderes Motiv eine tragende Rolle spielt: "Das hat etwas mit Bestrafung zu tun. Einerseits bestrafen zu wollen, andererseits aber auch bestrafen zu können. Es geht um die Bestrafung der Frau", so Pota. Der Täter wolle der Frau mit der Gewalttat sagen: "Wenn, dann nehme ich die Kinder mit, die uns etwas bedeuten. Wenn, dann alle." Oft spiele aber auch folgender Gedanke eine Rolle: "Im Tod sind wir für immer verbunden und miteinander eins."
Seinem Leben ein Ende zu setzen, sei ein einsamer Schritt, "den man unternimmt, wenn keine anderen Wege mehr in Sicht sind, wenn die Verzweiflung groß ist. Wer das richtig ernst meint, tut das für sich alleine", sagt Pota. Bei den sogenannten Mitnahmesuiziden sei den Tätern in vielen Fällen aber vor allem wichtig, gesehen und gehört zu werden. "Es geht darum, dass man endlich Einsicht auf der anderen Seite haben möchte. Das heißt, die andere Person soll einsehen, dass ich das Opfer bin und ich derjenige bin, der Hilfe braucht." Fühlt sich der Mann unverstanden, wird also nicht gehört, werde häufig versucht, dies mit Gewalt durchzusetzen. "Und wenn auch das nicht funktioniert, kommt die Wut, die so groß ist, dass man sagt: 'Dann beende ich alles.' In dem Moment wird eine Kettenreaktion ausgelöst."
Oft seien diese Fälle Spontanhandlungen, die stattfinden, wenn sich ein schon länger schwelender Konflikt innerhalb der Familie - zum Beispiel eine Trennung - in einem Moment der Gewalt entlädt. "Wenn die Frau zum Beispiel den Mann verlassen will, die Kinder mitnimmt und sich der Mann allein gelassen und auf verlorenem Posten fühlt", sagt Pota. "Oder es kommen viele verschiedene Dinge zusammen: Ablehnung bei der Arbeit, Ärger mit den Nachbarn und immer wieder in Situationen zu geraten, in denen man den Kürzeren zieht", so der Psychotherapeut. "Dann ist es das i-Tüpfelchen, das das Ganze zum Übersprudeln bringt."
Doch warum sind es meistens Männer, die ihre Kinder mit in den Tod nehmen? Wieso kommt es immer wieder vor, dass der Vater seine Kinder tötet, aber bei sich selbst scheitert? Was sind mögliche Warnzeichen? In welchen Fällen wird die natürliche Sperre, Gewalt anzuwenden und das eigene Kind zu töten, außer Kraft gesetzt? All diese Fragen beantwortet der Psychotherapeut in unserem Video.
Hier finden Betroffene Hilfe in Krisensituationen
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über Ihre Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Hier finden Sie eine Übersicht über Hilfsangebote.
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