Sizilien-Krimi im Check

„Tödliche Klippen“ von Cristina Cassar Scalia: Die ungesunde Macht des Patriarchats

„Tödliche Klippen“ von Cristina Cassar Scalia
„Tödliche Klippen“ von Cristina Cassar Scalia
Penguin Randomhouse Verlagsgruppe
von Tobias Elsaesser

Cristina Cassar Scalia entführt uns ein weiteres Mal nach Sizilien, in das Chaos der Straßen von Catania, wo Vize-Questore Giovanna „Vanina“ Guarasi mit ihrem Team für Ordnung sorgt. Wenige Wochen nachdem Vanina mit Hilfe des pensionierten Kommissars Pantane einen Jahrzehnte zurückliegenden Mord aufgeklärt hat, sitzt sie gerade beim Frühstück in ihrem Büro, als sie einen Anruf erhält.

Mord ohne Leiche

Eine Frau berichtet von einem Mord, der in der Nacht zu vor bei einer ausschweifenden Party in einer abgelegenen Villa geschehen sein soll. In der offensichtlich fluchtartig verlassenen Villa finden sich Blutspuren, aber keine Leiche. Wenig später melden sich der Arzt Manfredi Montereale und der Journalist Sante Tammaro bei ihr und berichten, wie sie die schattenhaften Umrisse eines Mannes beobachtet haben, der einen schweren Koffer hinter sich her schleifte und zwischen die Felsen ins Meer warf. Bald stellt sich heraus: Beide Begebenheiten hängen zusammen und Vanina findet sich in komplizierten Ermittlungen wieder, die weit zurückreichen und perfide Machenschaften offenlegen.

Wohlfühl-Krimis, der vom Setting und der Dynamik im Ermittlerteam lebt

Cristina Cassar Scalia liefert wunderbar leichte Unterhaltung mit einem sympathischen Ermittler-Team und einem spannenden Fall im Schatten des Ätna. Wie schon im ersten Band lebt das Buch zu einem großen Teil von den detaillierten und lebendigen Ortsbeschreibungen. Man fühlt sich, als würde man mit Vanina rastlos durch die Stadt fahren, mit ihr gemeinsam essen (wenn sie mal dazu kommt) oder mit Sante und Manfredi beobachten, wie die Gestalt den Koffer an den schwarzen Klippen verschwinden lässt. Es ist einer dieser Wohlfühl-Krimis, die vom Setting und von der Interaktion und Dynamik im Ermittlerteam leben.

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Die Auswirkungen einer zutiefst patriarchisch geprägten Gesellschaft

Wenn das so gut funktioniert wie hier, dann ist der eigentliche Fall fast zweitrangig, solange er spannend ist und einen Punkt macht. Tödliche Klippen bietet beides. Das Verschwinden einer jungen Anwältin, die Spuren eines vermeintlichen Mordes und das Verhältnis zwischen der Verschwundenen und ihrem Chef stellen die Ermittler um Vanina vor große Herausforderungen. Das alles offenbart die ungesunden Auswirkungen von Machtmissbrauch in einer zutiefst patriarchisch geprägten Gesellschaft, in der eine Frau nur ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft ist, wenn sie heiratet, und zwar möglichst den Mann, den ihre Eltern sich wünschen.

Was am Ende vor den Ermittlern lieg, ist ein Trümmerhaufen, den Vanina in ihren Gedanken mit einem typisch sizilianischen Bild beschreibt: „Jetzt, da sie darüber nachdachte, fügte sich ein weiteres Puzzleteil zu einem Gesamtbild. Ein Bild, das an einen Ausbruch des Ätna nach einer langen Ruhephase erinnerte. Fliegt erst der Pfropfen, tritt alles aus. Zuerst die Explosion, dann der Lavastrom. Alles, das nur darauf geartet hatte, endlich austreten zu können, bahnte sich seinen Weg.“

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