Eine Expertin verrät, wie es besser gehtStress beim Veterinär-Besuch: Dieses Tierbesitzer-Verhalten nervt Tierärzte

von Franziska Geißler
Wer ein Haustier hat, der weiß: Geht es dem kleinen Liebling schlecht, kann der Verstand schon einmal aussetzen. In diesen Momenten liegt es dann an Tierärztinnen und Tierärzten, die Ruhe zu bewahren. Dass das nicht immer so leicht ist, zeigt der Alltag in vielen Praxen. Dr. Iris Wagner-Storz hat in einer Tierarztpraxis gearbeitet und betreibt das Gesundheitsportal fellomed.de, auf dem sie Tierhalter rund um Krankheiten und Symptome berät. Sie kennt die Momente, die dem Praxispersonal oft das Leben schwer machen.
Wenn Halter mit ihren Tieren leiden: "Da erschrickt der Hund gleich mit"
Auf die Frage, was Tierhalter beim Arztbesuch häufig „falsch“ machen würden, erzählt Dr. Iris Wagner-Storz von einem echten Klassiker: „Es gibt diesen Moment, in dem man das Tier mit einem Stethoskop abhört – und die Tierhalter parallel anfangen zu reden. Da hört man dann eben nichts mehr. Das ist so eine Sache, bei der man doch schmunzeln muss.“ Und auch, wenn Tierhalter mit ihren Lieblingen leiden, sei es manchmal besser, ruhig zu bleiben. „Gerade, wenn wir Zecken entfernen, kommt schon mal ein ‘Uuuuuh’ oder ein ‘Aaaah’. Da erschrickt man selbst, und der Hund gleich mit“, sagt die 34-Jährige.
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Ein Maulkorb kann viel Ärger ersparen

Es kann aber auch gefährlich werden. „Eine Tierarztpraxis ist nicht nur Tiere kuscheln“, stellt Wagner-Storz klar. Keinem Halter werde es übel genommen, wenn er vor einem Termin auf Besonderheiten im Verhalten seines Tieres hinweist. „Ob ein Hund eher unruhig ist oder beißt, so etwas müssen wir vorher wissen. Der sollte dann auch nicht frei durch die Praxis laufen.“
Auch ein Maulkorb sei nicht so schlimm, wie viele denken. Einige Hunderhalter würden sich zwar dagegen sperren, „aber am Ende schützt es alle Beteiligten und beschleunigt die Untersuchung.“
Der Appell der Expertin: Halten Sie sich im Hintergrund!
Die Person, die dem Tier am nächsten steht, ist der Halter. Sie verbringen die meiste Zeit zusammen, kuscheln und spielen. Doch beim Tierarzt gelten andere Regeln, weiß Iris Wagner-Storz: „Gerade Katzen kennen ab einem gewissen Punkt weder Freund noch Feind. Die explodieren. Wenn man dann versucht, sein Tier durch Streicheln zu beruhigen, hilft das nicht.“
Ganz im Gegenteil: Katzenbisse seien besonders gefährlich, auch wenn sie harmlos aussehen. „Die Zähne sind scharf, die Bisse tief und es kommen Keime in die Wunde. Ich kenne Tierärzte, die haben so schon Finger verloren.“ Heißt: Halter sollten während der Behandlung im Hintergrund bleiben und nur eingreifen, wenn sie dazu explizit aufgefordert werden.
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"Es bricht uns das Herz, wenn wir Tiere einschläfern müssen"
Angesprochen auf die Frage, ob es in Tierarztpraxen häufig zu Diskussionen über Honorare und nicht bezahlte Rechnungen komme, wird Iris Wagner-Storz ernst. „Wir haben Tiermedizin studiert, weil wir Tieren helfen wollen. Wir versuchen, alles möglich zu machen. Legen Termine um, schieben Mittagspausen, um dringenden Fällen zu helfen.“ Viele ihrer Kolleginnen und Kollegen würden im Laufe ihres Berufslebens ein Burnout erleiden. Hinzu käme emotionale Erpressung seitens der Tierhalter: „Wir werden gebeten, Behandlungen unentgeltlich durchzuführen. Es wird davon ausgegangen, dass man ein Tier doch nicht leiden lassen kann, nur weil gerade nicht genug Geld da ist.“
Was die Halter aber in diesem Moment nicht verstehen würden: Tierärzte sind Menschen, wie wir alle. „Es bricht uns das Herz, wenn wir Tiere einschläfern müssen. Das nehmen viele mit nach Hause.“ Was diese enorme Belastung anrichten kann, zeigen Zahlen der Bundestierärztekammer: Über ein Drittel der Tierärzte weise demnach ein erhöhtes Suizidrisiko auf, mehr als ein Sechsfaches im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (6,6 Prozent).
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Prävention ist die beste Medizin

Tiere sind teuer, manche Behandlungen sind im Laufe der Zeit schon mal einen Kleinwagen wert. „Wir Tierärzte kalkulieren knapp, im internationalen Vergleich ist die Tiermedizin in Deutschland günstig“, erklärt Wagner-Storz. Sie rät zu einer Tierversicherung – und zu Prävention: „Das ist die beste Medizin. Schauen Sie sich ein Mal pro Monat ihr Tier ganz objektiv an. Wie verhält es sich? Frisst und trinkt es genug? Ist die Verdauung in Ordnung, kommt es häufig zum Erbrechen? Daran kann man gut erkennen, ob sich etwas verändert.“ Außerdem sei eine jährliche Kontrolle beim Arzt für Tierhalter ein Pflichttermin.
Homöopathie in der Tiermedizin: Nicht auf Kosten des Tieres!
Eine andere Debatte, die auch bei vielen Hausärzten geführt wird: Homöopathie oder Schulmedizin, was hilft? Die Expertin setzt in diesem Fall auf „leben und leben lassen“. Gern könne man verschiedene Dinge ausprobieren, wie Akkupunktur oder Nahrungsergänzungsmittel. „Aber nicht auf Kosten des Tieres!“, warnt Wagner-Storz und macht das an einem Beispiel deutlich: „Wenn ein Hund zum Auspendeln geschickt wird, und die Beraterin sagt, dass es seinem Herzen gut gehe und man die Medikamente ruhig absetzen könne – dann ist das wirklich kein Spaß mehr.“
Halter sollten sich vorab informieren, bevor sie zu Hausmitteln und alternativen Behandlungen greifen. Bei wirklich schweren Erkrankungen sollte laut Wagner-Storz auf solche Experimente verzichtet werden. Es könne auch vorkommen, dass sich bei den Haltern eine Art Placebo-Effekt einstellen könnte. „Man denkt dann, der Hund läuft besser, weil er Globuli gegen seine Arthrose gefressen hat. Aber in Wahrheit hat sich nichts geändert. Das Tier hat immer noch Schmerzen, nur der Halter fühlt sich besser.“