PETA sieht "grausamen" Sex-Zwang für ihren Deckhengst

Pferdeexpertin erklärt: Darum sind die Missbrauchsvorwürfe gegen Thomas und Lisa Müller nicht fair

Schwierige Zeiten für Bayern-Star Thomas Müller und seine Frau Lisa auf ihrem Gestüt, dem Gut Wettlkam. Sie lieben ihr Leben mit ihren Pferden dort, sehen sich aber schweren Vorwürfen der Tierrechts-Organisation PETA ausgesetzt. Demnach sollen sie ihren erfolgreichen Dressur-Hengst D'avie zur Pferdezucht missbrauchen. „Es ist grausam, dass sogenannte Pferdeliebhaber die Tiere in ihrer Obhut zum unnatürlichen Geschlechtsakt zwingen, um möglichst viel Profit aus ihnen zu schlagen“, heißt es in einem PETA-Statement. Die Vorwürfe kommen nicht ohne Grund: D'avie war vor kurzer Zeit gestürzt, als er das Besamen einer Stute an einer Attrappe üben sollte, und verletzte sich am Huf. Laut PETA war dies absolut „vermeidbar“. Laut Informationen der „Bild“ planen die Müllers wohl rechtliche Schritte gegen die PETA-Anschuldigungen. Eine Anfrage unserer Redaktion an die Müllers blieb bislang unbeantwortet.
Sind die Vorwürfe gerechtfertigt oder vollkommen überzogen? Wir haben mit unserer Pferde-Expertin Birgit von Bentzel über das Thema Pferdezucht gesprochen - dabei geht es im Regelfall um die Fortpflanzung zweier Tiere, die sich nicht kennen, die kein Vertrauen zueinander haben. Wie im Fall von D’avie. „Die Müllers gehen absolut verantwortungsbewusst mit den Tieren um“, meint von Bentzel. Warum sie die Kritik der Organisation PETA überhaupt nicht nachvollziehen kann, erklärt sie im Interview.

Pferdeexpertin von Bentzel: "Vorwürfe nicht gerechtfertigt"

Birgit von Bentzel
Birgit von Bentzel
privat

PETA erhebt schwere Vorwürfe gegen Lisa und Thomas Müller, weil sie ihren Zuchthengst durch die Besamung einer Attrappe national wie international Stuten decken lassen.Ist das in dieser Schärfe nachvollziehbar?

Nein, ganz und gar nicht! Die Vorwürfe sind nicht gerechtfertigt. Der Phantomsprung wird seit über 30 Jahren praktiziert und ist überhaupt nicht grausam. Diese Situation wird auch mit dem Hengst geübt, er wird langsam an den Vorgang herangeführt und macht das dann auch gerne. Das ist nicht lebensgefährlich oder grausam für die Tiere. Die Müllers gehen also absolut verantwortungsbewusst mit den Tieren um. Klar, kann dabei dennoch ein Unfall passieren. So wie leider auf ihrem Gestüt mit Hengst D’avie. Ich weiß natürlich nicht genau, wie es dazu kam, dass sich der Hengst dabei eine Verletzung im Hufbereich zuzog. Aber das sind Fluchttiere und es kann immer was passieren, wenn sie sich erschrecken. Wie gesagt: Laut Statistik kommt so etwas wirklich sehr selten vor.

Wenn sich Züchter gegen die künstliche Besamungsform an einer Attrappe entscheiden – was wäre dann die Alternative?

Es gibt drei Möglichkeiten, wie ein Hengst eine Stute besamen kann. Entweder den Sprung aufs Phantom, also auf eine Attrappe. Dabei gewinnt der Züchter Frisch-, Kühl- oder Gefriersperma, das auch verschickt werden kann. Das ist statistisch gesehen die sicherste Variante, wenn der Hengst die Stute nicht kennt – dabei passiert am wenigstens. Das Verletzungs- und Infektionsrisiko ist am geringsten.

Dann gibt es den Natursprung an der Hand, dabei wird der Hengst per Hand an die Stute herangeführt. Die Hinterbeine der Stute werden dabei meistens gefesselt, um den Hengst vor Tritten und damit vor Verletzungen zu schützen. Das wird mittlerweile selten praktiziert.

Die dritte Möglichkeit ist der natürliche – und allerschönste – Weg: der Natursprung auf der Koppel. Das heißt, man lässt die Tiere einfach gemeinsam auf die Weide. Dazu sollten sich die Tiere jedoch kennen, ansonsten kann die Situation auch komplett außer Kontrolle geraten und beide können sich heftig verletzen. Das habe ich leider schon einmal live miterleben müssen. Wenn die Tiere sich kennen und die Besamung klappt, ist das wirklich das Schönste, ein Traum für Pferdefreunde. Aber nicht immer möglich, weil der Hengst immer nur mit ein paar Stuten zusammenlebt.

Geldgier der Müllers als Hintergrund? "Sehe ich da überhaupt nicht"

Es heißt, ein Hengst muss, wenn er fit und gesund bleiben soll, regelmäßig Stuten besamen. Stimmt das?

Das liegt in der Natur der Sache. Wenn ein Hengst in der Zucht einsetzt wird, gewöhnt er sich an den Deckakt und dann ist wie bei anderen Lebewesen auch, ein gewisser Drang da. Und nur bei einem regelmäßigen Deckakt sind die Hengst dann auch zufriedene, ausgeglichene Tiere. Wenn ein Hengst nicht in der Zucht eingesetzt wird, dann kann er auch ohne Deckakt leben. Dann sollte er aber am besten nie decken dürfen, sonst wird es schwierig. Die schönste Sache der Welt will er dann nämlich auch immer.

Indirekt wirft PETA den Müllers Geldgier vor. Sie würden mit dem Samen Geld machen wollen. Wie bewerten Sie diesen Vorwurf?

Geldgier sehe ich da überhaupt nicht. Wenn man ein so tolles Pferd, einen so tollen Hengst im Stall hat, dann ist es wunderschön, wenn sich das Tier vermehrt und die Gene weitergegeben werden. Warum auch nicht? Das ist in dem Fall ganz natürlich. Es wäre eigentlich sehr traurig, wenn diese wunderbaren Anlagen des Pferdes nicht erhalten bleiben. Und das Geld hat Thomas Müller überhaupt nicht nötig. Der Samen von D’avie ist auch zu einem absolut fairen Preis zu haben. Natürlich ist die Pferdezucht auch eine Form von Geschäft – aber sicher keine Geldgier. Ich hoffe nur, dass D’avie schnell wieder auf die Hufen kommt.

Das Interview führte: Alessa-Luisa Naujoks