Subway To Sally mit „Himmelfahrt" auf Eisheilige-Nacht-TourSchlagzeuger Simon Michael über die Albumproduktion: „Das war ein Himmelfahrtskommando"

Seit mehr als 30 Jahren macht die Band Subway To Sally jetzt schon Musik. Im März kam ihr 14. Studioalbum „Himmelfahrt“ heraus. Ab 14. Dezember sind die Potsdamer auf ihrer „Eisheilige Nacht“-Tour. Mit dabei sind drei weitere Bands – ein kleines Festival auf Achse, könnte man sagen. Was es mit der Hymne zur Tour auf sich hat und warum es beinahe kein weiteres Subway To Sally Album gegeben hätte, erzählt Schlagzeuger und Produzent Simon Michael im RTL-Interview.
RTL.de ist jetzt auch bei Whatsapp – HIER direkt ausprobieren!
Ab dem 14. Dezember seid ihr wieder auf Eurer „Eisheilige Nacht“-Tour. Wie ist die Idee entstanden, euer eigenes Winterfestival zu veranstalten?
Subway To Sally hat schon immer eine Weihnachtstour gespielt, die seinerzeit schon „Eisheilige Nacht“ hieß. Die Band hat das letzte Konzert jedes Jahr im Potsdamer Lindenpark gespielt. Das ist eine Kultlocation, da gehen 1.000 Leute rein. Das war immer Monate im Voraus ausverkauft.
Dann kam der Bundesvision Songcontest, den wir gewonnen haben. Wir brauchten damals eine Halle, in der der Contest ausgerichtet werden konnte, mit uns als Gastgebern. Es hat sich zufällig ergeben, dass eine Halle gebaut wurde, die pünktlich fertig wurde. Wir durften sie mit der Veranstaltung einweihen. Da wurde die Idee geboren, die Abschluss-Show nicht mehr im Lindenpark zu machen, sondern sich zu vergrößern – von 1.000 auf 4.000 Menschen Fassungsvermögen. Das war aber etwas zu groß für eine Band wie uns. Wir haben uns dazu entschieden, das Line-Up aufzublasen und weitere Bands dazuzunehmen. Wir haben die Veranstaltung dann einmal gemacht und wir hatten viel Spaß daran. Das Jahr darauf haben wir das Ganze dann schon an vier oder fünf weiteren Standorten ausgerichtet. Mittlerweile spielen wir die „Eisheilige Nacht“ jedes Jahr in zehn Städten.

Ihr habt einen Song zur Eisheiligen Nacht veröffentlicht. Worm geht es darin und woher kam die Idee zum Song?
Wenn man jährlich eine Veranstaltung macht, liegt es auf der Hand, ihr auch eine Hymne zu spendieren. Wenn Subway To Sally eins gut kann, dann ist es, Hymnen schreiben. Zu wissen, dass der Song ab sofort an der Veranstaltung haften wird, war gar nicht so leicht. Ich möchte vorsichtig sagen: Das hat uns unter Druck gesetzt. Mit dem Ergebnis sind wir aber sehr zufrieden. Ich habe auch kein Problem damit, das Lied auf jedem Konzert mit der Band zu spielen, bis ich in die Grube fahre.
Ihr spielt den Song dann zum ersten Mal auf der „Eisheiligen Nacht" am 14. Dezember. Bist du aufgeregt, wie er ankommt?
Ein bisschen aufgeregt ist man schon immer. Aber es ist ein Erlebnis, einen neuen Song zum ersten Mal live zu spielen. Die Reaktion des Publikums ist interessant. Bei „Himmelfahrt“ war es interessant, weil die Leute die Songs sehr gut aufgenommen haben und gleich mitsingen konnten. Das hast du nicht immer unbedingt bei einer Band, die es seit über 30 Jahren gibt. Ich bin gespannt, ob der Song „Eisheilige Nacht“ so gut ankommt, dass der Text schon sitzt.

Das Video zur Eisheiligen Nacht sieht aus, als hättet ihr mit KI gearbeitet. Wie steht ihr zum Thema KI?
Wir haben viel Kritik dafür einstecken müssen. Von vielen Fans wird das nicht gewünscht, dass Künstler damit arbeiten. Wir haben aber auch von Kollegen negatives Feedback bekommen.
Wir wollten einfach mal wissen, was dabei herauskommt, wenn man mit KI arbeitet und haben mit einem Freund ein paar Gehversuche gemacht. Es ist nicht so, dass man sagt: ‘KI, das ist mein Lied, mach’ mir ein Video’. Dieser Prozess ist viel anstrengender und kostenintensiver als man sich das vielleicht vorstellt. Es funktioniert auch nicht, wenn du selber keine Idee hast. Eine KI kann keine Storyline (Drehbuch/ Geschichte; Anm. d. Red.) entwickeln.
Aber: Es gibt viele Fans und Kollegen, die Angst haben, dass KI die Welt übernehmen wird. Diese Angst ist natürlich nicht unbegründet – die Menschheit hatte sie schon öfter. Als die Fotografie kam, haben zum Beispiel die Maler gestreikt, weil sie Angst hatten, arbeitslos zu werden.
Wir als Band wollten das mit der KI ausprobieren und sind mit der Voraussetzung herangegangen, ein besseres Lyrik-Video zu machen. Wir sind sehr zufrieden.
Wie schafft ihr es, nach 30 Jahren Bandgeschichte, immer noch neue Ansätze für euch finden und alles anders zu machen?
Das ist nach 30 Jahren Bandgeschichte ein bisschen Fluch und Segen. Wenn man sich die Studioalben von Subway To Sally anhört, dann wird man feststellen, dass kein Album dem anderen gleicht. Man kann die Frage nicht beantworten: Wo stünde die Band, wenn sie ihren Fans wie ACDC mit jedem Studio-Output das gegeben hätte, was sie lieben und gewohnt sind? Subway hat den Fans immer etwas Neues zum Lieben und zum Hassen gegeben.
Das liegt daran, dass wir rastlos sind und mit offenen Augen durchs Leben gehen. Wir verschließen uns nicht gegenüber neuen Dingen und Einflüssen. Wenn man diese Art von ethnisch inspirierter Rockmusik macht, dann sollte man sich das beibehalten und frisch bleiben.
So ein Album spiegelt auch immer den Zeitgeist wider. Das hat auch unser letztes Album beeinflusst.

Ihr habt nach eurem Album „Hey!“ schon an neuem Material gearbeitet, dann kam aber Corona und die Songs wirkten euch zu düster. Was habt ihr mit diesen Songs gemacht?
„Hey!“ ist 2019 herausgekommen. Stell dir vor, du sitzt 2017 da und fängst an, Musik zu schreiben und machst dir Gedanken: Was passiert denn, wenn der Klimawandel gar nicht mehr aufzuhalten ist? Was ist, wenn Dinge auf die Menschheit treffen, mit denen wir nicht geplant haben? Was passiert, wenn eine weltweite Pandemie die Menschheit trifft? Da denkst du 2017 ja nicht daran, dass das alles passiert. Das hat uns selbst ein bisschen Angst gemacht. Wenn ich mir heute die Texte auf dem Album „Hey!“ anschaue, denke ich: Das ist erschreckend vorausschauend gewesen. Wir haben dann beschlossen, dass wir nicht nochmal in die gleiche Kerbe schlagen können.
Die ersten Songs, die wir für „Himmelfahrt“ geschrieben haben, haben wir dann verworfen. Die liegen im Abfalleimer.
Euer Album heißt „Himmelfahrt" - hat das einen religiösen Hintergrund oder ist das der Soundtrack für den Herrentag?
Die Story ist viel geiler. In der Coronazeit ist bei uns Lethargie eingekehrt. Wir sind in uns zusammengesackt, wir waren damit beschäftigt, über die Runden zu kommen. Nach einem Jahr Pandemie habe ich gesagt: ‘Wir machen jetzt ein Album.’ Dann meinte ein Kollege: ‘Jetzt ein Album und dann mit einer Tour rausgehen – das ist ein Himmelfahrtskommando.’ Und dann meinte ich: ‘Sehr gut, da haben wir den Albumtitel.’
Als wir uns dann näher mit dem Titel beschäftigt haben, hat er uns gut gefallen. Er vermittelt, dass jedem Ende ein Anfang innewohnt. Religiös gesehen: Nach dem Tod gibt es eine Auferstehung. Aber, wenn man es auf die Situation überträgt, in der wir uns als Band befunden haben: Wir sind von 100 Prozent auf null gefahren und mussten einen Punkt finden, um wieder anzufangen. Wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, ob das nicht das letzte Subway To Sally Album sein würde. Wir wussten es bis zum Schluss nicht. Nur, weil dieses Album so gut geworden ist und es uns und den Fans so gut gefällt, haben wir beschlossen doch nochmal eine Scheibe zu machen.

Ihr sagt, euer Album soll den Menschen Hoffnung bringen. Wie schafft ihr das?
Indem man sich immer daran erinnert: Egal welche Krise kam, die Menschheit hat immer alles gemeistert. Daran glaube ich nach wie vor. Ich finde es unerträglich, dass sich die Welt aktuell im Krisenmodus befindet und dort nicht mehr herauskommt. Klimakrise, Corona-Krise, Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg. Wenn man da als Künstler nicht darauf achtet, den Menschen Halt und Trost zu geben, dann macht man – glaube ich – etwas falsch. Darin sehe ich die Aufgabe der Künstler. Insbesondere auch, weil sich unser Medienkonsum geändert hat.
Früher haben sich die Menschen intensiver mit Musik auseinandergesetzt. Früher konnte man noch Messages loswerden. Diese Aufgabe ist der Musik inzwischen entrissen worden. Das hat Social Media übernommen. Dementsprechend sehe ich Bands, die ihre Daseinsberechtigung daraus ziehen, nur politische Inhalte zu verbreiten, aus der Zeit gefallen.
Subway To Sally ist keine politische Band. Die Band möchte auf einem künstlerisch hohen Niveau unterhalten. Alles darüber hinaus können andere besser.

„Himmelfahrt" handelt von Aufbruch, Reisen und davon, anderen zu helfen. Wohin geht eure persönliche Reise?
Wir sind froh über das, was wir erreicht haben und sind lange noch nicht satt. Wir haben nach der Corona-Pandemie wieder zu neuer Stärke gefunden und neue Freude gefunden an dem, was wir machen. Wir werden auf jeden Fall ein neues Album herausbringen. Ein neues Album bedeutet auch neue Konzerte – das ist das, was wir lieben.
Was ist der persönlichste Track auf dem Album?
Es gibt einen Song, der heißt „So tief“. Das Lied hat erst eine Balladen-Struktur und wird am Ende zu einer Rock-Nummer – mit Orchester und allem Drum und Dran. Als ich die erste Demo des Songs gehört habe, war ich zur Long-Covid-Behandlung im Krankenhaus. Normalerweise unterbreche ich Lieder, um sie zu analysieren. Aber ich konnte das Lied nicht ausschalten. Dass die Musik der eigenen Band nach so vielen Jahren noch begeistern kann, das finde ich sehr erstaunlich.