„Als Opfer bist du in diesem Land verloren“Striptease und Phallus-Geschenke: Sie stalkt einen Pfarrer seit mehr als 20 Jahren - Freispruch!

16.02.2022, Nordrhein-Westfalen, Arnsberg: In einem Berufungsprozess sitzt die heute 79-Jährige Angeklagte im Landgericht Arnsberg. Sie soll wiederholt den Pfarrer ihres Ortes gestalkt haben soll. Nackttänze vor dem Pfarrhaus und Liebes-Avancen über viele Jahre: Wegen Stalkings eines katholischen Pfarrers im Sauerland war die Angeklagte 2019 zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Sie und die Staatsanwaltschaft legten Berufung ein. Foto: Guido Kirchner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
79-Jährige wegen Stalking eines Pfarres vor dem Landgericht
gki kno, dpa, Guido Kirchner

Striptease vor dem Pfarrhaus und Geschenke in Phallusform: Seit mehr als zwanzig Jahren lässt eine 79-jährige Stalkerin einen Pastor aus dem Sauerland nicht in Ruhe. Doch weil ihr vor Gericht eine „Wahnkrankheit“ bescheinigt wird, kann die Justiz nichts tun. Jetzt wurde sie vom Landgericht Arnsberg wieder als schuldunfähig freigesprochen.

Landgericht Arnsberg: Freispruch für Stalkerin von Pfarrer Hammerschmidt

Bild von Michael Hammerschmidt im RTL-Interview
Michael Hammerschmidt ist nach über 20 Jahren Stalking mit seinen Nerven am Ende.
RTL

Gutachter Norbert Leygraf von der Universität Münster ist sich sicher: Die Angeklagte leidet unter krankhaftem Liebeswahn. Dadurch kann sie ihr Verhalten nicht kontrollieren. In dem Pfarrer aus Meschede sieht sie ihren „Seelenzwilling“. Sie ist überzeugt: Hammerschmidt würde ihre Liebe nur nicht erwidern, weil er eben katholischer Priester ist. Ein chronischer Hirnschaden beeinträchtige zudem ihre Impulskontrolle.

Michael Hammerschmidt kann den Freispruch nicht fassen: „Als Opfer bist du in diesem Land verloren“, sagt er nach dem Freispruch. „Sie kann mich seit 20 Jahren krank machen, aber sie hat überhaupt keine Einschränkungen.“ Auch sein Bruder ist wütend: „Wenn die Dame krank ist, warum kann man sie nicht behandeln?“

Stalkingopfer Hammerschmidt ist sich sicher: Frau ist besessen

Eine 79-Jährige Frau wird in einen Gerichtssaal geführt
Die Stalkerin von Pfarrer Hammerschmidt wird in den Gerichtssaal geführt.
RTL

Hammerschmidt nimmt der Frau nicht ab, dass sie krank ist: „Die weiß genau, was sie tut.“ Denn wenn sie sich mal wieder vor seinem Haus postiert habe, schaue sie immer, ob wer kommt. „Wenn ich nicht wüsste, dass das nicht richtig ist, dann würde ich doch nicht gucken“, so Hammerschmidt gegenüber RTL. Seiner Meinung nach ist die Frau besessen.

Die vielen Jahren, in denen sie nackt vor seinem Pfarrhaus getanzt hat, ihm obszöne Liebesbotschaften geschickt hat, dem Pastor vulgäre Worte entgegen gerufen hat – das alles hat Spuren bei ihm hinterlassen: „Viel Lebensfreude, viel Lebenskraft ist natürlich auf der Strecke geblieben, auch körperliche Krankheiten“, so Hammerschmidt. Für seine Zukunft sieht er schwarz, denn er geht nicht davon aus, dass die Frau aufhören wird, im nachzustellen: „Solange sie nicht tot umfällt, muss ich das weiter aushalten.“

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Kammer des Langerichts Arnsberg wünscht Stalkingopfer, dass Belästigung nachlässt

Der Verteidiger der Frau erklärte im RTL-Interview, dass es seiner Mandantin ebenfalls nicht gut ginge: „Wie ich sie kenne, belastet sie das sehr. Auch insbesondere des fortgeschrittenen Alters“, so Michael Babylon.

Immer wieder beschäftigten sich Gerichte mit der Stalkerin aus Meschede. Unglaubliche 18 psychiatrische Gutachten kamen dabei zu unterschiedlichen Schlüssen: Noch 2019 hatte das Amtsgericht Meschede eine neunmonatige Bewährungsstrafe verhängt, weil es die Frau nach Ausführungen eines anderen Gutachters durchaus für einsichtsfähig hielt. Doch dieses Urteil wurde jetzt aufgehoben.

Die hohen Hürden, um die 79-Jährige in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, sieht das Gericht nicht überschritten. Und so bleibe nur die Hoffnung, so der Vorsitzende Richter, dass durch das zunehmende Alter der Angeklagten auch ihr Elan und damit die Belästigungen nachließen. „Dass wünscht die Kammer jedenfalls dem Zeugen Hammerschmidt“, sagt er. (jmu)