Internistin und Ernährungsmedizinerin Dr. Anne Fleck im Interview

So gehört Dauer-Müdigkeit der Vergangenheit an

Frau liegt müde im Bett
Krankhaft wird Müdigkeit erst, wenn man morgens schon extrem müde aufsteht und über den Tag nur wenige Phasen von einem normalen Energielevel hat, sagt Dr. Anne Fleck.
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Ohne Energie geht nichts

Viele Menschen plagen sich mit ständiger Müdigkeit und Energielosigkeit herum. Wenn Sie auch damit zu kämpfen haben, sollten Sie das Problem nicht einfach hinnehmen, sondern etwas dagegen unternehmen. Welche Ursachen infrage kommen und was helfen kann, erklärt Dr. Anne Fleck alias „Doc Fleck“ in Ihrem Buch „Energy! Der gesunde Weg aus dem Müdigkeitslabyrinth“* 🛒. Im Interview mit RTL.de verrät sie die Grundpfeiler Ihrer Heilmethode.

Dr. Anne Fleck bei RTL.de – alle Doc-Fleck-Themen finden Sie hier auf einen Blick

Wie viel Müdigkeit ist unbedenklich?

Dr. Anne Fleck: „Es gibt die normale gesunde Müdigkeit, die auftritt wenn man sich körperlich und geistig erschöpft hat. Dann fällt man müde ins Bett. Diese Müdigkeit ist vollkommen gesund und normal. Pathologisch wird die Müdigkeit erst, wenn sie länger anhält, also wenn man quasi schon morgens extrem müde aufsteht und über den Tag nur wenige Phasen von einem normalen Energielevel hat.“

Momentan hat man das Gefühl, dass jeder irgendwie müde ist.

„Ich habe das Buch vor allem deswegen geschrieben, weil dieses Thema oft bagatellisiert wird. Die präventiv-medizinisch modernen Ursachen werden in der gängigen Behandlungspraxis leider nicht abgefragt oder laborchemisch geprüft. Nicht wenige Leute werden dann mit normalen Befunden abgespeist oder als ‘Dr. Google-Kranke’ stigmatisiert. Aber nur, wenn du ausreichend Energie hast, kannst du das im Leben machen, wozu du hier bist. Deswegen war es mir auch ein Anliegen, mein Wissen weiterzugeben, da die enorm vielen Terminanfragen von Patienten nicht mehr allein zu schaffen sind.“

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Welche Ursachen können für Müdigkeit und Energielosigkeit verantwortlich sein?

„Zu den klassischen Ursachen für Müdigkeit gehören zum Beispiel Eisenmangel oder schwere Grunderkrankungen wie Diabetes. Aber es gibt auch eine große Zahl von Menschen, die zum Beispiel unerkannte Verdauungsstörungen haben, niedrig-gradige Entzündungen, Zahnherde, Nahrungsmittelintoleranzen oder auch Autoimmunkrankheiten.“

Was halten Sie von Kaffee und Energydrinks als Wachmacher?

„Kaffee ist nach Studien ein zweischneidiges Schwert. Er hat ein bisschen Ballaststoffe und ist für die Mehrheit gesundheitlich unbedenklich, wenn man unter zwei Tassen täglich trinkt. Bei über drei Tassen ist er Diabetes-fördernd. Man muss einfach wissen, dass Kaffee einen starken aufputschenden Reiz auf die Nebenniere hat und damit die Stresshormonausschüttung beflügelt. Menschen mit einer schweren chronischen Müdigkeit und einer starken Stresssituation powern sich quasi durch den Kaffee kurz hoch - meist gerne kombiniert mit Süßigkeiten - aber werden langfristig dadurch immer müder und erschöpfter. Die Energydrinks sind wegen des Süßstoff- und Zuckergehaltes sehr schädlich für die Darmflora und langfristig der absolute Energiestaubsauger und ein potentieller Krankmacher.“

Woran liegt das?

„Die Cortisolausschüttung wird durch den Kaffeegenuss gestärkt. Anfangs sind die Werte übertrieben hoch und nachher sehr niedrig, und wenn dann das Cortisol nicht mehr adäquat im Blut nachweisbar ist, dann ist man extrem erschöpft. Das sind die Leute, die schon morgens sehr müde aufstehen, Heißhunger auf Süßes haben und abends eher wieder ein besseres Energielevel haben. Die kommen dann in diesen Teufelskreis, weil sie versuchen, sich immer weiter hochzuputschen. Wenn dann noch Süßstoff in den Körper kommt, verschlechtert sich die Darmflora und eine schlechte Darmflora fördert entzündliche Erkrankungen und Autoimmunkrankheiten. Ob die Stresshormone im Ungleichgewicht sind, kann man leicht im Blut, Speichel oder Urin messen.“

Wäre es also sinnvoller, auf Koffein zu verzichten?

„Ich bin ja selbst jemand, der gerne Kaffee trinkt und habe einmal im Leben einen Kaffeeentzug ganz langsam gemacht und wirklich mehrere Monate keinen Kaffee getrunken. Da hatte ich mein höchstes Energielevel. Jeder Mensch ist anders. Es gibt Leute, die vertragen am Tag zwei bis drei Kaffee ohne Probleme und andere haben Schwierigkeiten mit der Entgiftung. Diese Menschen fahren einfach langfristig ohne Kaffee besser. Man kann in einem einfachen Selbsttest ausprobieren, ob es einem besser geht, wenn man langfristig Kaffee reduziert oder meidet.“

Kann auch die Milch im Kaffee für das Müdigkeitsproblem verantwortlich sein?

„30 bis 40 Prozent der Menschen haben eine nicht erkannte Milcheiweiß-Unverträglichkeit. Die kann natürlich auch müde machen. Nicht nur müde, sondern auch Nasennebenhöhlenprobleme und Allergien werden oft dadurch getriggert. Deswegen ist es wichtig zu schauen, wie es einem ohne Kaffee und ohne Milch geht.“

Wie kann man nun am besten anfangen, das Problem Müdigkeit und Energielosigkeit in den Griff zu bekommen?

„Mein ENERGY!-30-Tage-Programm gibt einen sanften Einstieg. Zuerst schaut man seinen Lebensrhythmus an und bringt eine individuell passende Struktur in den Tag. Dazu gehört natürlich auch, ausreichend zu schlafen. Dann sollte man seine Ess- und Ernährungsgewohnheiten genau beobachten und herausfinden, welche Lebensmittel einem gut tun und welche einem ‘den Garaus’ machen. Die tiefere Ursachensuche kann man sich systematisch vornehmen.“

Warum sollte man laut Ihrem Programm morgens zwei Gläser Wasser auf nüchternem Magen trinken und eher spät frühstücken?

„Erstens werden die über Nacht abgebauten Giftstoffe leichter ausgeschieden und zweitens muss die Leber nicht durch Kaffee wieder neu entgiften. Außerdem gibt es ein nächtliches Flüssigkeitsdefizit, das damit ausgeglichen wird. Zusätzlich wird der Magen aufgeweckt und bekommt von oben das Signal, Platz zu machen und dadurch wird dann auch die Verdauung angeregt. Den Zeitpunkt des Frühstücks sollte man spät wählen. Man soll sowieso nur bei echtem Hunger essen, weil das die Autophagie aktiviert, einen körpereigenen Prozess, bei dem die zelleigene Müllabfuhr so angeregt wird. Das passiert bei Frauen nach 12 Stunden und bei Männern nach 13 Stunden.“

Wie kann man herausfinden, ob man nicht doch bisher unentdeckte Nahrungsmittelintoleranzen hat?

„Man kann sich mal zwei Wochen auf mein ENERGY!-Programm einlassen, um herauszufinden, ob man die zwei häufig verzehrten Lebensmittel Getreide und Milchprodukte gut verträgt. Die Blutuntersuchungen sind da oft nicht sensitiv genug, um dem auf die Spur zu kommen. Deswegen beinhaltet das Programm einfache leckere Rezepte, mit denen man sich selbst auf die Schliche kommt. Nach den zwei Wochen weiß man, ob man ein Problem hat, wenn man ein Dinkel-Vollkornbrötchen isst. Das merkt man nicht, wenn man den Körper nicht mal davon befreit hat.“

Wie geht es nach dem ENERGY!-Programm weiter?

„Wenn man weiß, dass man Gluten und Milch verträgt, kann man das ja nach dem Absolvieren des ENERGY!-Programms wieder in die tägliche Nahrung einführen. Aber ein Käsebrot morgens, mittags und abends ist auf die Dauer trotzdem nicht gesund - auch wenn man es verträgt. Man muss schauen, dass man auf mehr Gemüse, Blattsalate und hochwertige Eiweißquellen bekommt. Die Dosis macht das Gift und selbstverständlich kann man sich langfristig auch wieder etwas gönnen.“

Wie wichtig ist auch die seelische Gesundheit beim Thema Erschöpfung?

„Stress im Alltag bewältigen und Gedankenfasten zu betreiben, ist in dieser Zeit wichtiger denn je. Gerade jetzt, wo auch Menschen durch diese hohe psychische Belastung in der Corona-Zeit innerlich im Stress sind, weil sie sich ohnmächtig fühlen. Das ist ein riesiger Energieräuber, der oft vergessen wird.“

Haben Sie noch einen Tipp, was man bei Einschlafschwierigkeiten tun kann?

„Gesunder Schlaf ist genauso wichtig wie die Ernährung und die Bewegung. Viele Menschen denken nur, sie haben eine Einschlafstörung, aber haben eigentlich ihre innere Uhr verstellt, indem sie zum Beispiel gegen ihre innere Uhr leben oder am Abend noch am Rechner sitzen. Letzteres kann man machen, aber man sollte eben gewappnet sein und in diesem Fall Blaulicht-Filter am Rechner, am Smartphone und TV einsetzen, um damit die innere Uhr und die Schlafhormon-Produktion nicht zu verschieben.“

Das Interview mit Dr. Anne Fleck führte Isabel Michael

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