Urteil am Amtsgericht HannoverSchüsse auf Ex-Verlobte bei Hochzeitsfeier: Keine Strafe für Fluchthelfer

Hamid H. soll dem mutmaßlichen Mörder einer 21-Jährigen im März 2016 zur Flucht verholfen haben. Im November startete der Prozess gegen den Familienvater von sechs Kindern. Nun ist am Amtsgericht Hannover das Urteil gefallen: Freispruch. Der 36-Jährige kann für die ihm vorgeworfene Strafvereitelung nicht verurteilt werden, da er mit dem Hauptverdächtigen verschwägert ist. Denn nun steht fest: Die Ehefrau von Hamid H. ist die Schwester des mutmaßlichen Täters. Damit zählt er laut Gesetz zu den Angehörigen – und die sind in Fällen von Strafvereitelung straffrei.
Dem Opfer wurde mehrfach in den Kopf geschossen
Vor vier Jahren fallen Schüsse auf einer Hochzeitsfeier in Hannover. Dem Opfer wird mehrfach in den Kopf geschossen, sodass die 21-Jährige stirbt. Das Motiv soll ein Ehrenmord gewesen sein. Offenbar hatte sich die junge Frau gegen eine Hochzeit mit dem Angreifer entschieden. Nach der Tat soll der Angeklagte seinem Cousin mit dem Auto zur Flucht verholfen haben. Laut Verteidiger Dimitrios Kotios habe der Angeklagte dem mutmaßlichen Täter aber nicht zur Flucht verhelfen wollen, sondern versucht, Schlimmeres zu verhindern. „Und zwar gab es Tumulte, eine Massenschlägerei und er hatte Angst, dass es zu einem weiteren Mord kommt und hat deswegen seinen Schwager dort weggefahren“, erklärt er uns zum Prozessauftakt. Der mutmaßliche Täter kann damals in den Irak entkommen. Laut Verteidiger wurde er dort inzwischen zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Offiziell bestätigt ist diese Information aber nicht.
Lächelnd auf Blitzerfoto
Bei der Autofahrt wurden der Angeklagte und sein Cousin geblitzt und genau dieses Foto liegt auch dem Gericht als Beweismittel vor. „Hier sind der Angeklagte und auch sein Cousin bzw. Schwager zu sehen und dort sollen sie eben auch lächelnd abgebildet sein“, sagt uns Pressesprecher Koray Freudenberg. „Daraus schließt das Gericht, eine Panikreaktion oder Bestürzung existiert nicht, sondern dass es sich eben schon um eine Fluchtfahrt und eben um eine spontan geplante Fluchtfahrt gehandelt hat.“
Verwandt oder verschwägert?
Zu Beginn ging die Anklage davon aus, dass der Beschuldigte nur der Cousin des Hauptverdächtigen ist. Dann hätte er verurteilt werden können. Übersetzungsfehler und falsche Namensangaben auf Dokumenten verkomplizierten die Lage zunehmend. „Heute hat sich herausgestellt, dass der Angeklagte nicht nur der Cousin des dortigen gesondert Verfolgten ist, sondern dass es sich hierbei auch um den Schwager handelt“, so Pressesprecher Koray Freudenberg. „Das Gesetz sieht eben ganz klar vor, dass ein Angehöriger sich nicht wegen Strafvereitelung strafbar machen kann. Das ist auch keine Gesetzeslücke, sondern das ist eine Wertentscheidung des Gesetzgebers.“ Die Regelung gilt bei Verwandten erster Linie, Geschwistern und auch deren Eheleuten. Egal, ob diese schuldig sind oder nicht. „Es kommt rechtlich nicht darauf an, das Gericht hat völlig zu Recht meinen Mandanten freigesprochen“, sagt Verteidiger Dimitrios Kotios. „Das ist, was zählt.“




