„Prince Charming“-Kolumne Folge 4

„Wir sind schwul und wir sind stolz darauf“ Oder auch: „Manuel hat mir so über das Glied gestrichen“

Andreas konnte Prince Charming beim Date in einer romantischen Grotte überzeugen: „Dieser tough wirkende Mann, der aber wirklich das Herz am rechten Fleck hat.“
Andreas konnte Prince Charming beim Date in einer romantischen Grotte überzeugen: „Dieser tough wirkende Mann, der aber wirklich das Herz am rechten Fleck hat.“
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Schon als Kind fand ich es unangenehm, wenn die eine Mitschülerin, die doch so gern singt, eine Kostprobe ihres Talents gegeben hat. Für mich hieß es dann immer Fremdschämen statt im Takt mitzuklatschen. Das hat sich auch während des Studiums nicht geändert. Immer wenn jemand im Sommer in Köln die Gitarre rausholt, sich extra wichtig fühlt und „Wonderwall“ schmettert, möchte ich am liebsten die Flucht ergreifen. In diesem Sinne kann ich bezüglich der neuen „Prince Charming“-Folge aufrichtig behaupten, dass ich auf Andreas‘ Date nun wirklich nicht neidisch war.
Wie's wohl meinem Kollegen Tobias Elsaesser beim Anschauen ging?

Prince Charming: Mit Gitarre bewaffnet

Nicolas lädt zum Jetski-Spaß im Mittelmeer ein – soweit, so gut. Andreas und der Prince harmonieren sofort miteinander, die kaffeefarbenden Augen des Friseurs glänzen: „Ich krieg‘ momentan das Lächeln nicht aus dem Gesicht.“ Doch kann das Lächeln dem plötzlichen Umschwung des Dates standhalten?

Andreas muss seinem Schwarm nämlich in eine Bucht folgen, in der bereitsteht, was ein Schwuler beim Dating wohl am wenigsten erwartet: Eine Frau. Doch es kommt noch schlimmer, denn diese Frau trägt ein weißes Hippie-Kleid und hält eine Gitarre bereit. Dann folgt, was Nicolas einen „intim-romantischen Moment“ nennt. Er singt. Zwei volle Sendeminuten lang schmettert der Prince „When You Say Nothing At All.“ AWKWARD. Während Nicolas also Ronan Keating mimt, sieht Andreas ziemlich berührt aus – unangenehm berührt?

Im Video: Hier singt der Prince für Andreas

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Kiril läutet den Konkurrenzkampf ein

Nein, tatsächlich gefällt’s Andreas. Nach dem musikalischen Aufwand zwingt er Nicolas deswegen sogar zu einem kleinen Tanz in der Bucht, zu dem der melodische Gesang der Hippie-Frau daherschwebt (jetzt spielt sie sogar Wonderwall, kein Scherz!). „Dieser tough wirkende Mann, der aber wirklich das Herz am rechten Fleck hat“, beschreibt Nicolas Andreas später. Und vielleicht verbindet eine Vorliebe für musikalische Gefühlsliebelei ja wirklich. Zurück in der Männervilla, schwärmt Andreas den anderen Männern dann vom romantischsten Date ever vor: „Ich hab Rotz und Wasser geheult“ – hat er nicht, aber klingt ja gut, sowas zu sagen.

Während einer auf Wolke sieben schwebt, arbeitet ein anderer an angenehm unangenehmer Stimmung. Also angenehm für den Zuschauer, unangenehm für Manuel. Denn Kiril fährt die Krallen aus und stiehlt Lafayette Diamond (Manuels Kunstfigur) kuzerhand die Idee, einen Brief an Nicolas zu schreiben: „Ich bin hier nicht, um mit irgendjemandem befreundet zu sein“ … sondern um "Germany’s next Topmodel" zu werden – so geht das Sprichwort doch?

Kann auch als lustiges Meme genutzt werden: Kiril zeigt sein wahres Gesicht

Prince Charming: „Wir sind schwul und wir sind stolz darauf“

Prince Charming ist in Woche vier übrigens wieder total princelike. Das alte Geschwätz über Anal-Waxing weicht der Mission der Repräsentation. Denn für ein Gruppendate mit Aaron, Manuel, Marco, Martin und Simon hat sich Nicolas etwas ganz besonderes ausgedacht: Die Boys dürfen sich gegenseitig in bunter Farbe anschmieren und dann als „LGBT“ - nein, als „LGBTQ“ – ne, als „LGTBIQ+“-Fahne posieren. „Wir sind schwul und wir sind stolz darauf“, erklärt Nicolas. Richtig so, aber warum müsst ihr euch dafür denn in diese engen Schlüpper schmeißen? Denn bevor die Jungs sich gegenseitig anmalen, müssen Badehose und T-Shirts einer Art Slip weichen, die lediglich den Penis verdeckt (und den auch nur ganz schlecht).

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Während Nicolas jede Woche aufs Neue dafür kämpft, ein vielfältiges Bild der Community zu vermitteln, funkt ihm stets eine besonders lustige Truppe an Producern dazwischen, die eine etwas andere Mission verfolgt: Toleranz für Schwule? Ja bitte, aber immer auf die nackten Ärsche draufhalten! Homos beim Dating? Na klar, aber nur wenn sie über Anal-Waxing quatschen! Dass sich manche Jungs beim Date eher zu der Anmalaktion gezwungen fühlen, macht spätestens Martins Zusammenfassung deutlich: „Manuel hat mir so über das Glied gestrichen, dass ich so dachte; Schwester, jetzt übertreib' nicht!“

Im Video: „Prince Charming“ glänzt immer dann, wenn die Männer Einblicke in ihr Leben geben

In Woche vier wird zum ersten Mal deutlich, dass es sich bei „Prince Charming“ um einen knallharten Wettbewerb handelt. Endlich fahren die Männer die Krallen aus und man will es mindestens vier Typen glauben, dass sie das Format tatsächlich aus aufrichtigen Gründen aufgesucht haben. Während ich mir in den ersten Wochen sicher war, dass Lars und möglicherweise auch Dominic nur auf der Jagd nach neuen Followern sind, bekomme ich nun den Eindruck, dass sie den Kampf um Nicolas gemeinsam mit Kiril und Manuel ehrlich kämpfen. Letzterer überzeugt mit Aufrichtigkeit („Ich persönlich wünsche mir eine Liebesreise mit dir, lieber Nicolas“) und hat deswegen den Platz neben des Prinzen Thron am meisten verdient.

Die Show glänzt immer, wenn die Kandidaten die Chance bekommen, persönliche Einblicke in ihre Leben als schwule Männer in Deutschland zu geben - so auch in Woche vier. Egal ob Alexanders Erzählung von seinem Coming-Out oder Lars‘ emotionale Offenheit bezüglich seiner Mutter – diese Geschichten bewegen und machen „Prince Charming“ zu außergewöhnlichem Trash-TV. Man wünscht sich jedoch, dass die ehrlichen Momente nicht ständig von albernen Date-Ideen unterbrochen würden, in denen die Authentizität der Präsentation gängiger Clichées über Schwule weichen muss.