Armbinde verstößt gegen Kleiderregel
Der FIFA wird's zu bunt: Peinlicher Kniefall vor WM-Gastgeber Katar
von Tobias Nordmann
Am Samstag bekannte FIFA-Boss Gianni Infantino, dass er sich unter anderem „homosexuell“ und "behindert" fühle, am Montag bekannte die FIFA, dass sie eine Armbinde für Toleranz und Vielfalt nicht anerkennt. Bitte nicht falsch verstehen, Gianni Infantino fühlt sich vermutlich noch immer „homosexuell“ und "behindert", aber die Kleider-Ordnung lässt eben keine andere Wahl. Ein Kommentar.
Die FIFA unterbietet sich mal wieder selbst
Die FIFA wäre nicht die FIFA, wenn auch nur ein Tag ohne peinliche Demütigung vergehen würde. Am Montag, wenn die Weltmeisterschaft so richtig Fahrt aufnimmt, stellt sie das Tragen der "One Love"-Armbinde tatsächlich unter Strafe! Die Binde war ohnehin schon ein Entgegenkommen der beteiligten Teams, ursprünglich sollten sie in Regenbogenfarben, dem Toleranz-Zeichen der LGBTQI+-Community gehalten sein. Doch auch die „entschärfte Version“ kassierte nun die FIFA.
Lese-Tipp: FIFA bestraft "One Love"-Armbinde: Deutschland und alle Top-Nationen knicken ein
Jeder Kapitän, der das Toleranz-Zeichen bei den WM-Spielen am Oberarm trägt, sieht die Gelbe Karte. Nach zwei Spielen würde das bedeuten: ein Spiel Zwangspause. Weil die Länder indes nicht nur moralischen Druck spüren, sondern auch sportlichen, knicken die Topnationen ein, darunter Deutschland, England und die Niederlande. Die Franzosen hatte sich schon vorab verweigert. Die Begründungen wirkten konstruiert. In französischen Medien wurde spekuliert, ob die ökonomischen Verflechtungen beider Länder womöglich der wahre Grund waren.
Der FIFA ist mittlerweile alles egal
Die FIFA beweist Durchsetzungsstärke, begründet in der hilflosen Abhängigkeit gegenüber Katar. Statt Haltung zu zeigen, was dem Verband eh niemand zutraut, versteckt sich die FIFA viel lieber hinter dem Artikel 13.8.1 der Ausrüstungsregeln: "Für FIFA-Finalwettbewerbe muss der Kapitän jeder Mannschaft eine von der FIFA gestellte Armbinde tragen." Der Verband, so teilte er auch mit, unterstütze Kampagnen wie "One Love", aber dies müsse im Rahmen der allen bekannten Regeln erfolgen. Die FIFA tut alles, um dieses Turnier, um ihr Lieblingskind Katar zu bewachen und beschützen. Dabei waren sie beim kurzfristig und unabgesprochenen Bier-Verbot im Stadion von eben jenem erst böse überrascht und dann erdolcht worden.
Lese-Tipp: FIFA-Boss will Welt zum Schweigen bringen - welch gefährliche Arroganz
Und mit dem immensen Druck auf die Nationalmannschaften setzt FIFA-Boss Gianni Infantino nun das durch, was er wenige Tage vor dem Start des Turniers geplant hatte. Er drängt das Politische aus dem Turnier. Er bringt die mächtigen Nationen der Welt zum Schweigen. Dass im Stadion noch Zeichen für Menschenrechte gesendet werden, kaum noch vorstellbar. Zwar haben ein paar Länder versprochen, sich klar zu bekennen. Aber wer hat noch diesen Mut?
Empfehlungen unserer Partner
RTL-Doku über Unterdrückung Homosexueller in Katar: Rote Karte statt Regenbogen
4 weitere Videos
Bizarre Infantino-Show vor Eröffnungsspiel
Die Entscheidung ist eine moralische Katastrophe. Eine Katastrophe, die sich nahtlos in die große Erzählung von den "verstörendsten Spielen aller Zeiten" einreiht. In der Vision der FIFA und allen voran in der ihres selbstverliebten und selbstgerechten Chefs sollten die schillernden Bilder aus dem Emirat alles vergessen machen, was war. All die Kritik an den Spielen, die Infantino noch vor dem ersten Anpfiff in einer irren Rede angeprangert und in einen bizarren Gegenangriff auf die westliche (Medien)-Welt umgemünzt hatte.
Der FIFA ist mittlerweile alles egal. Infantino hat das am Samstagvormittag bei seiner absurden Generalabrechnung mehr als deutlich gemacht. Das Moralverständnis von Demokratien ist ihm gänzlich fremd geworden. Zur Schau trug er dies am Sonntag bei der Eröffnungsfeier. Neben dem Schweizer saß nicht nur der Emir von Katar, sondern auch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman auf dem Ehrenrang. Dem wird international vorgeworfen, den Auftrag dafür gegeben zu haben, den Journalisten Jamal Khashoggi umzubringen. Einem Land, in dem es laut LGBTQ-Toleranzranking noch schlimmer ist für Homosexuelle zu leben als in Katar. (tno)