"Wenn man sieht, welche Diktatur in China gelebt wird"

Skisprung-Star Hannawald wettert gegen Peking-Spiele

Skisprung-Legende Sven Hannawald ist kein Fan der Olympischen Spiele in Peking. Das liegt nicht an den sportlichen, sondern den schwierigen Rahmenbedingungen in China mit bekannten Problemen: Menschenrechtsverletzungen, Manipulationssorgen, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbedenken. Im RTL-Interview sprach der TV-Experte über seine Olympia-Sorgen und die Medaillenchancen der deutschen Springer – oben im Video.

Bald dann Winterspiele in Katar?

Sven Hannawald hat schöne Erinnerungen an Olympische Winterspiele. Drei Mal Olympisches Edelmetall brachte er in seiner Karriere mit nach Hause. Silber 1998 in Nagano, 2002 in Salt Lake City sogar Gold (im Team) und nochmals Silber. Es sind traumhafte Gedanken an Olympische Spiele und weit weg von den Sorgen und Problemen der Spiele in China, die schon am Freitag eröffnet werden.

Die Vorfreude ist auch beim 47-Jährigen sehr getrübt. „Schon nach den Spielen 2008 in Peking hat man viel mitbekommen was die Menschenrechtssituation angeht. Als Sportler hatte man die Hoffnung, dass es einmal war und schön und gut“, sagte er im RTL-Interview. 14 Jahre später gastieren die Olympischen Spiele erneut in der chinesischen Hauptstadt, die bislang nicht als großer Wintersport-Ort in Erscheinung getreten war. „Wir merken, dass ein ganzes Volk eine Wintersport-Nation sein soll. Ganz oben aber steht natürlich die Menschenrechtssituation“, so Hannawald mit Blick auf das Groß-Event.

Die Entscheidung pro Peking sei seiner Meinung nach aus monetären Gründen gefallen. „Vom IOC heißt es, man will die Welt zusammenbringen. Das ist ja ein guter Gedanke. Aber man muss auch Grenzen ziehen, wo der Winter in der Welt aufhört. Ich würde nach den Dokus, die ich zum Thema gesehen habe, nicht ausschließen, dass wir irgendwann Winterspiele in Katar oder sonstwo haben.“

Alles Probleme, wofür die Hauptakteure nichts dafür können: die Athleten. Mit ihnen fühlt der Olympiasieger von 2002. „Sie treten an, um Titel zu holen oder diese zu verteidigen. Als Sportler geht man hin. Weil sie sich vier Jahre vorbereitet haben.“

Vom Dauerthema Boykott habe er seitens der Sportler viel gehört. „Aber es bringt ja nix. Wenn man boykottiert, müssten alle mitmachen. Und das wird sicher nicht so sein. Ich denke, die Hälfte der Sportler in Peking hat darüber nachgedacht. Am Ende werden aber Medaillen vergeben.“

Angst vor Chinas Rigorosität

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Eine weitere große Sorge steht im Raum wie ein Elefant. Die Angst geht um vor manipulierten Corona-Tests, mit denen Sportler von den Spielen ausgeschlossen werden könnten. Wie Ex-Ski-Star Felix Neureuther will auch Hannawald die Augen vor potentiell manipulierten K.o.-Tests nicht verschließen.

„Die traurige Wahrheit ist leider, dass man diese Dinge nicht ausschließen kann. Wenn man sieht, welche Diktatur in China noch gelebt wird, und mit welcher Rigorosität es durchgezogen wird, kann man nichts ausschließen. Ich hoffe natürlich, dass es nicht der Fall sein wird.“ Als Sportler gehe man hin hoffe, „dass die Wettkämpfe normal ablaufen.“

IOC-Präsident Bach, der massiv in der Kritik steht, hat Hannawald selbst kennengelernt – 2018 bei den Spielen in Pyeongchang.

Persönlich hat er am Funktionär nichts auszusetzen. Er sei ein „super netter Mann“, sagt Hannawald. „Er ist sporterfahren, weiß wie Dinge funktionieren. Aber ist einer Situation und Position, wo er selbst nicht aus dem Bauch entscheiden kann. Er ist sehr abhängig von vielen anderen Dinge, die er akut nicht ändern kann, weil das Rad zu groß ist.“

An schnelle Veränderungen im IOC glaubt er ohnehin nicht. „Am Ende geht es um die Kohle.“

Den Traum von anderen Spiele will er aber nicht begraben. Ein deutliche Nummer kleiner und mit einem großen Fokus. „Es geht darum, wieder den Olympischen Gedanken zu leben,“ erklärt Hannawald. „Dass sich viele Menschen treffen, eine schöne gemeinsame Zeit genießen und dann wieder heimfahren.“ (msc)