Eine Berlinerin kommentiert„No Park in the Dark“ – Wie wir Berliner mit unseren Angsträumen leben

Reporterin am Ubahnhof
Auch an U-Bahnhöfen in Berlin gilt für Frauen besondere Vorsicht.
Privat, Privat
von Franca Pörsch

Wer in Berlin lebt, braucht ein dickes Fell.
In der Metropole, in der so viele unterschiedliche Menschen jeder Herkunft zusammenkommen, knallt es! Die Freiheit, die die Stadt einem verspricht, kommt mit einem Preis. Denn es gibt Orte, da sollte man nicht so einfach hin. Sogenannte Angsträume, vor allem für uns Frauen. Aber wie gehen wir am besten damit um und was muss sich ändern?

Taschenalarm im Handgepäck

Es ist 21:30 Uhr. Ich stehe in der Tür meines Berliner Altbaus. Fertig zum Ausgehen. Ein letzter Griff in die Tasche, bevor ich losgehe: Handy, Schlüssel, Portemonnaie. Bei den meisten endet die Liste im Kopf damit. Bei mir nicht - Notfallpfeife, Taschenalarm. Mein Pfefferspray lasse ich zuhause. Ich habe kürzlich gehört, dass soll nicht so viel bringen. Vor allem nicht, wenn der Täter, den ich mir gerade ausmale, bereits Drogen konsumiert hat. Aber der Rest muss mit. Denn ich will vorbereitet sein und es gibt mir auch ein wenig Sicherheit, das Gefühl von Kontrolle.

Lektion im Wegschauen

Es sind Gedanken, die viele Frauen haben. Gedanken, die nicht sein sollten, hier in Berlin und auch in anderen Großstädten aber leider zum Alltag gehören. Viele meiner Freunde sind schon Opfer von Überfällen geworden. Auch ich. Wenn man hier leben will, muss man zu jeder Zeit mit allem rechnen. Eine Schlägerei mittags vorm Imbiss; ein Typ, der in der U-Bahn masturbiert - alles schon gesehen. Wer länger hier lebt weiß, was zu tun ist - Kopfhörer auf und weggucken.

Den Bachelor in Ignoranz erlangt man hier schnell.

Zugegeben: In manchen Stadtteilen ist es schlimmer als in anderen. Neulich hatte ich eine Freundin aus der Heimat zu Besuch. Wir sind nach Neukölln gefahren. An der Haltestelle Boddinstraße ausgestiegen. Auch hier in der Gegend trifft sich die Drogen- und Alkoholikerszene. „Am besten ignorierst du sie alle und wir gehen schnurstracks aus dem U-Bahnhof raus“, habe ich ihr gesagt. Als wir zurückkamen wurden wir dennoch bepöbelt. „Jetzt bloß nicht reagieren!“

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

No Go-Area: Görlitzer Park

Knapp zwei Kilometer von besagtem U-Bahnhof entfernt befindet sich ein weiterer Berliner Brennpunkt, der bei Nacht zur absoluten „No Go-Area“ wird: Der Görlitzer Park. Hier ist es im Juni zum Äußersten gekommen. Ein Pärchen ist von einer Gruppe überfallen, die Frau vergewaltigt worden. Was für eine Horrorvorstellung!

Aber wie sollte die Stadt gegen diese Angsträume vorgehen? CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger schlägt Videoüberwachung im Görli vor. Das hilft vielleicht bei den Ermittlungen nach der Tat, präventiv genug ist das meiner Meinung nach jedoch nicht. Mehr Licht und Videoüberwachung vermitteln ein falsches Gefühl von Sicherheit und bringen ja auch in den U-Bahnhöfen nichts. Als Frau wünsche ich mir eher: Mehr Präsenz von Polizei und Sicherheitspersonal in U-Bahnhöfen und Parks. Jemand, der mir im Ernstfall hilft und eben nicht wegsieht.

Lese-Tipp: Verdächtiger (22) nach Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park verhaftet!

Ab 2 Uhr nur noch Taxi

Doch so lang es daran noch mangelt, passe ich auf mich selbst auf. Dazu gehört auch, an Kneipenabenden wie heute ein Uber zu rufen, anstatt zu Fuß zu laufen. Und während ich mich von meinen Freunden verabschiede, kommt unser Standardsatz: „Melde dich kurz, wenn du gut zuhause angekommen bist.“ Die letzte Kontrollinstanz in einer Stadt, in der der sichere Nachhauseweg gerade als Frau alles andere als selbstverständlich ist.