Ukrainer der Überraschungscoup von Chelsea

Der 100-Millionen-Mann, den kaum einer kennt

Soccer Football - Premier League - Chelsea v Crystal Palace - Stamford Bridge, London, Britain - January 15, 2023 Chelsea's new signing Mykhailo Mudryk applauds fans at half time REUTERS/Tony Obrien EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or 'live' services. Online in-match use limited to 75 images, no video emulation. No use in betting, games or single club /league/player publications.  Please contact your account representative for further details.
Mykhailo Mudryk bei seiner Vorstellung an der Stamford Bridge.
RMA, REUTERS, TONY OBRIEN
von Emmanuel Schneider

Kaum jemand wundert sich im Fußball noch über 100-Millionen-Euro-Transfers. Zu oft haben Investoren-Klubs in den vergangenen Jahren gigantische Summen aufgerufen, als dass sich die Welt noch daran kratzt. Anders ist es jedoch im Fall des Ukrainers Mychajlo Mudryk, für den der arg kriselnde FC Chelsea eben jene magische Summe ausgegeben hat. Doch es ist nicht nur die Ablöse allein, die diesen Wechsel spannend macht. Da sind auch noch das Hick-Hack mit dem FC Arsenal, die neue Konkurrenz für den deutschen Nationalspieler Kai Havertz, die noble Geste seines Ex-Arbeitgebers und die Tatsache, dass die wahnsinnige Summe in einen Spieler investiert wird, der vielen Fans noch weitgehend unbekannt sein dürfte. Auch auf der Insel.

Vertragslaufzeit von Mychajlo Mudryk überrascht

ARCHIV - 05.10.2022, Spanien, Madrid: Mychajlo Mudryk von Schachtjor Donezk in Aktion. Der FC Chelsea verhandelt über eine Verpflichtung Mudryks. (zu dpa: «Chelsea vor Verpflichtung des Ukrainers Mudryk») Foto: Bernat Armangue/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Mychajlo Mudryk im Einsatz für seinen Ex-Club Schachtjor Donezk.
dpa, Bernat Armangue

Mychajlo Mudryk wechselt von Schachtjor Donezk zu den "Blues". Wie der ukrainische Klub erklärt, folgen auf festgeschriebene 70 Millionen Euro als direkte Ablöse noch weitere 30 Millionen Euro Bonuszahlungen. Macht aus dem 22-Jährigen also einen 100-Millionen-Mann. Erstaunlich auch: Der Vertrag von Mudryk läuft über acht (!) Jahre. Bis 2031. Offenbar eine Art Taschenspielertrick von Chelsea, um in Sachen Financial Fairplay besser dazustehen. Durch die lange Vertragslaufzeit lässt sich das viele Transfergeld besser abschreiben.

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Nun war der Transfer insofern überraschend, weil es bis vor kurzem noch hieß, dass der Stadtrivale und Premier-League-Tabellenführer FC Arsenal das Rennen machen würde. Englische Medien berichteten, der Deal sei nur noch Formsache. Auch Mudryk machte Andeutungen. Doch dann soll Chelsea den Rivalen auf den letzten Metern am vergangenen Wochenende überboten haben. 100 statt 90 Millionen. So weit, so normaler Fußball-Irrsinn. 170.000 Euro soll Mudryk pro Woche kassieren.

Was wird aus Havertz?

Bei dem Londoner Klub trifft der Außenspieler auf Nationalspieler Havertz. Die Frage ist: wie lange? Der FC war in den vergangenen Wochen auf extremer Einkaufstour, hat bisher fünf Spieler verpflichtet. Neben Mudryk auch David Fofana (20), Innenverteidiger Benoit Badiashile (21), Mittelfeldspieler Andrey Santos (18) sowie Portugals Nationalstürmer Joao Felix (Leihe/23). Das bedeutet: Auf anderer Seite muss der Klub des neuen Besitzers Todd Boehly etwas sparen. Medienberichten zufolge gibt es eine Art Streichliste, auf der auch Havertz stehen soll, der den Absturz der "Blues" am Sonntag mit seinem Siegtreffer gegen Crystal Palace zumindest abbremste. Chelsea hatte Havertz 2020 noch für 80 Millionen Euro nach London geholt.

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Noch etwas teurer wird nun Mudryk. Auf der ganz großen Bühne ist der 22-Jährige noch kein großer Name. Das lag auch daran, dass er bisher in der Heimat spielte. Der Linksaußen stand seit 2018 beim Dauermeister Donezk unter Vertrag. Die ersten beiden Spielzeiten aber wurde er noch verliehen. Am Talent zweifelte niemand, an der Einstellung aber schon. Erst 2021 folgte der Durchbruch. Der dribbelstarke Mudryk ist seitdem in der Offensive gesetzt. Seine herausragenden Qualitäten sind die Geschwindigkeit und die Tempozweikämpfe mit Ball.

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Einer für den "Ballon d'Or"?

Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wurde der Ligabetrieb vergangenes Jahr heftig durchgerüttelt und zwischenzeitlich gestoppt. In der aktuellen Krisen-Spielzeit erzielte der Offensivmann sieben Tore und sechs Assists in zwölf Spielen. In der Champions League kommt er auf starke fünf Scorerpunkte (drei Tore, zwei Assists), mischte vor allem auch RB Leipzig im September auf. Auch in der ukrainischen Nationalelf kommt er seit 2022 regelmäßig zum Zug. In den acht Spielen blieb er noch ohne Torbeteiligung.

Sein Ex-Trainer Roberto de Zerbi sieht in ihm sogar einen zukünftigen Kandidaten für den "Ballon als bester Fußballer Europas. Erstmal aber stehen profanere Dinge auf dem Programm. Beim FC Chelsea soll er federführend helfen, die Mannschaft und Coach Graham Potter aus der Krise zu hieven. In der Tabelle der Premier League steht der Traditionsklub nur auf Rang zehn, weit weg von den eigenen Ambitionen.

Teil der Erlössumme geht an Kriegsopfer

Bei seinem abgebenden Verein herrscht nach dem Rekordtransfer eine gemischte Stimmung. Eigentlich müsste er ja Spieler von solch einem Kaliber halten, wenn er mit Donezk selbst europäische Trophäen gewinnen will, sagte Schachtjor-Präsident Rinat Achmetow. Zudem glaube er, dass Mudryk in einer besseren Liga weiter Liebe und Respekt der Fußballfans gewinnen werde.

Von dem Erlös des gigantischen Transfers will der Präsident einen großen Anteil an die Opfer der russischen Invasion in der Ukraine spenden. "Ich habe heute einen Betrag von 25 Millionen Euro angewiesen, um unseren Soldaten, Verteidigern und ihren Familien zu helfen", sagte Achmetow. Das Geld soll unter anderem für medizinische Betreuung, psychologische Hilfe und Prothesen verwendet werden. Eine große Geste nach einem großen Transfer.

Viele Erzählungen zu einem alles andere als gewöhnlichen 100-Millionen-Transfer. Einer, der im vergangenen Sommer wohl eine eher kleinere Randnotiz gewesen wäre. Damals, hieß es, stand ein Bundesligist kurz vor der Verpflichtung des Ukrainers. Bayer Leverkusen soll 20 Millionen Euro geboten haben. Da ging diese Transfer-Geschichte gerade erst richtig los.