Experten erklären, was Eltern zu einer solchen Tat treibt

Mutter ertränkt ihr eigenes Kind (2): Warum töten Eltern ihre Kinder?

Ein Kuscheltier liegt alleine auf dem Boden und symbolisiert Kinder und Babys. Foto: Wedel/Kirchner-Media
Warum töten Eltern ihre Kinder?
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Schrecklicher Fall aus dem niedersächsischen Twistringen: Eine Mutter soll ihre zweijährige Tochter getötet haben. Laut Obduktion soll das kleine Mädchen ertränkt worden sein. „Sie wollte ihrem Kind ein Leben mit einer schweren Behinderung ersparen“, erklärt ein Polizeisprecher auf RTL-Anfrage.
Die Frage, die sich vielen schockierten Menschen stellt: Was kann Eltern dazu treiben, ihre eigenen Kinder zu töten? Was können die Hintergründe für eine so unbeschreibliche Tat sein?

2020 wurden 152 Kinder in Deutschland getötet

Leider sind Kindermorde auch in Deutschland kein Einzelfall. Allein im Jahr 2020 wurden laut polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 152 Kinder getötet. Wie viele davon ihren eigenen Eltern zum Opfer fielen, erfasst die Statistik zwar nicht, doch dass es auch Eltern unter den Tätern gibt, daran besteht leider kein Zweifel.

2018 sprachen wir im Zusammenhang mit einem anderen Fall mit Ulrike Zähringer, die für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen forscht, darüber, was Eltern dazu bringen kann, ihre Kinder zu ermorden. Damals sorgte der Fall eines Elternpaars aus Göttingen für Aufsehen, das sein Baby ins Krankenhaus gebracht und behauptet hatte, der sechs Monate alte Säugling leide aufgrund eines Sturzes an Atemnot. Das Baby verstarb im Krankenhaus trotz aller Bemühungen der Ärzte. Nach einer Obduktion gerieten die Eltern in Erklärungsnot, diese legte nahe: Dem Baby wurde neunmal gegen den Kopf geschlagen.

„Tötungsdelikte kommen in allen Gesellschaftsschichten vor", erklärte Zähringer, die für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen forscht. Eine Studie des Instituts ergab: Je älter ein Kind wird, desto eher wird der Vater zum Täter.

Mütter töten ihre Kinder am ehesten direkt nach der Geburt

Doch auch Mütter töten ihre Kinder – meist passiert das direkt nach der Geburt. Oft haben diese Frauen zuvor bereits ihre Schwangerschaft stark verdrängt oder sie vor ihrem sozialen Umfeld verheimlicht. „Diese Frauen töten selten aus Gefühlskälte, vielmehr kommt es zu einer Panikreaktion im Zuge des Geburtsstresses. Ihr einziger Gedanke ist: Das Kind muss weg“, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, im Interview mit Stern. „Psychologen sprechen von dissoziativen Zuständen – fühlen und handeln sind voneinander getrennt.“

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Väter töten ihre Kinder aus Rache oder falsch verstandener Fürsorge

Die Motive, die Väter zu Mördern werden lassen, seien völlig unterschiedlich, sagt Ulrike Zähringer. Sie schätzt, dass jedes Jahr etwa 15 Kinder im Alter bis einschließlich 13 Jahren von ihren eigenen Vätern umgebracht werden. Manche Männer würden aus falsch verstandener Fürsorge töten. Sie seien der Meinung, dass es den Kindern so schlecht geht, dass es besser wäre, wenn sie tot seien.

Auch Rachegedanken spielen laut Becker oft eine Rolle. Sie wollen die Mutter des Kindes bestrafen und töten darum das gemeinsame Kind. Vor allem Trennungen oder Scheidungen seien „Hochrisikozeiten“, weiß auch Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. „Bei Trennungen bricht dann für Männer, die sich als Macher der Familie definieren, eine Welt zusammen. Das trifft vor allem auf eher konservativ Sozialisierte zu. Da geht es schon sehr klischeehaft auch um Macht- und Besitzdenken.“

"Man darf sich diese Menschen nicht als gefühllose Monster vorstellen"

Laut Zähringers Studie ist Rache aber nur in Ausnahmefällen das Motiv des Täters. Viel häufiger komme es vor, dass Väter nach einer Trennung ihre Rolle als glücklicher Familienvater in Gefahr sehen. „Das hat mit dem Verlust einer Idealvorstellung von Familie zu tun“, erklärt die Kriminologin. „Man darf sich diese Menschen nicht als gefühllose Monster vorstellen.“ Viele der Täter, die die Forscher später im Gefängnis besucht und befragt haben, bereuen ihre Taten schrecklich und trauern um ihre Kinder.

Hier finden Sie Hilfe in schwierigen Situationen:

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