Großes Entsetzen in Mühlheim an der Donau
Wanderer gestehen nach Corona-Ausbruch Fehler ein und erheben Vorwürfe gegen Lokalpolitiker

Das Entsetzen war groß in Mühlheim an der Donau: 14 Personen aus zehn Haushalten hatten sich im Januar zu einer Wanderung im verschneiten Donautal getroffen und waren danach noch in eine Hütte eingekehrt. Das Beisammensein hatte zu einem sprunghaften Anstieg der Corona-Infektionen in Baden-Württemberg geführt. Laut Polizei sollen rund 30 Infektionen auf die Wanderung zurückzuführen sein. Die Wanderer geben sich reumütig – und machen der Politik Vorwürfe.
"Wir sind uns unserer Schuld bewusst"
„Wir sind uns unserer Schuld bewusst, dass wir nicht zusammen in diese Waldhütte hätten gehen sollen, diesen Fehler gestehen wir ein“, sagt einer der beteiligten Wanderer auf RTL-Anfrage. Wer aus der Gruppe mit dem Coronavirus infiziert gewesen sei, wisse er nicht. Doch die ganze Angelegenheit laufe völlig aus dem Ruder. „Es findet gerade eine Hetzjagd gegen uns statt. Das ist mittlerweile geschäftsschädigend. Auch für zwei weitere Wanderer, die dabei gewesen sind, die selbstständig sind und Unternehmen haben“, so der Wanderer. In sozialen Medien würden Mitglieder der Gruppe als Corona-Leugner bezeichnet werden. „Wir sind keine Corona-Leugner“, stellt er klar.
Gemeinsames Statement der Mühlheim-Politiker

Wie aufgeheizt die Stimmung in dem 3.600-Seelen-Städtchen ist, zeigt ein gemeinsames Statement des Gemeinde- und Ortschaftsrats von Mühlheim zum Vorfall. Quarantäneauflagen seien nicht eingehalten und zumindest im Einzelfall weiter am Arbeitsleben teilgenommen worden. „Wir verurteilen dieses unverantwortliche Verhalten auf das Schärfste. Erschwerend kommt aus Sicht des Landratsamtes als ermittelnde Behörde hinzu, dass offenkundig bewusst falsche und unvollständige Angaben bei der Kontaktnachverfolgung gemacht worden sind“, heißt es darin. Polizei und Staatsanwaltschaft würden ermitteln, es werde eine „harte und unnachgiebige Bestrafung dieser und aller anderen Verstöße“ geben.
Der Ortsvorsteher des Mühlheimer Stadtteils Stetten, Emil Buschle, hatte in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung gesagt: „In Stetten ist die Stimmung am Boden wegen der Sache. Da herrscht null Verständnis. Wir sind jetzt ‚Klein-Ischgl‘.“
Wanderer prüfen Anzeige gegen Stettens Ortsvorsteher Buschle

Rechtsanwalt Bernhard Mussgnug aus Tuttlingen vertritt zehn der 14 Wanderer und verurteilt das Vorgehen der Politiker: „Es findet eine Vorverurteilung statt, mit Stimmungsmache und Hetze gegen einzelne Mandanten“, sagt er im RTL-Interview. Ortsvorsteher Buschle habe sich in der Presse in nicht akzeptabler Weise beleidigend geäußert, entgegen jeglicher Unschuldsvermutung, er habe das Maß überschritten. Der Ortsvorsteher habe über einen angeblichen Hauptakteur gesprochen, der sich „an nichts halte“. Jeder in der Gemeinde hätte so gewusst, wer gemeint ist. Seine Mandanten prüfen, ob sie Anzeige erstatten. Buschle wolle Stimmung gegen einen seiner Mandanten machen, mit dem er schon seit Jahren eine Feindschaft pflege und der wegen Buschle jetzt auch von anderen Bürgern angefeindet werde.
Zwei weitere Wanderer, die von Rechtsanwältin Marie-Theres Schilling aus Tuttlingen vertreten werden, distanzieren sich jedoch von den Vorwürfen gegen die Lokalpolitiker.
Auch dem Landratsamt Tuttlingen macht Mussgnug Vorwürfe. Einige der Wanderer seien beim Corona-Abstrich Ende Januar nach Kontaktpersonen der letzten 48 Stunden gefragt worden. Nachträglich sei eine Mail gekommen, mit der Aufforderung, Kontaktdaten ab dem 15. Januar zu nennen – die Wanderung fand am 16. Januar statt. „Dafür gibt es keine Rechtfertigung, das ist entgegen der Datenschutzbestimmungen. Man will wohl Belastungen schaffen, das halte ich für unzulässig und nicht Sache des Gesundheitsamtes. Niemand muss sich selbst belasten und man hat ein Auskunfts- und Zeugenverweigerungsrecht“, so Mussgnug.
"Dann muss die Sache auch irgendwann erledigt sein"
RTL fragte bei der zuständigen Polizei Konstanz nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen. "Stand jetzt gibt es keine Hinweise auf eine Straftat", so Sprecher Marcel Ferraro. Man gehe bislang lediglich von Verstößen gegen die Corona-Verordnung und das Infektionsschutzgesetz aus. Jetzt gelte es zu klären, ob die Person oder die Personen, die bei der Wanderung bereits mit dem Coronavirus infiziert gewesen seien, von ihrer Infektion gewusst hätten. Das wäre Voraussetzung für ein Körperverletzungsdelikt.
Gerüchte, dass Infizierte aus der Quarantäne bei der Wanderung teilgenommen hätten, haben sich laut Ferraro bislang nicht bestätigt. Man müsse aufpassen, dass diese „Hetzjagd“, wie sie von manchen bezeichnet würde, nicht in die falsche Richtung gehe. „Es wird ein Bußgeld nach sich ziehen, aber dann muss die Sache irgendwann auch erledigt sein“, so Ferraro.
Auch die Staatsanwaltschaft gehe bislang nicht davon aus, dass die Wanderer Straftaten begangen hätten, sagte Frank Grundke, Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil. Vermutlich handele es sich um Ordnungswidrigkeiten. Die Staatsanwaltschaft sei in dem Fall bislang gar nicht eingeschaltet - entgegen anders lautenden Berichten.