Diskussion um Behördenfehler nach Mordanschlag auf A7
Hätte der Gullydeckel-Werfer schon früher in die Psychiatrie gemusst?

Der 50-Jährige, der am Samstag zwei Gullydeckel von einer Brücke auf die A7 geworfen haben soll, war vorher schon mit einer Reihe von Straftaten aufgefallen. Im Landkreis Hildesheim wird jetzt diskutiert, ob die zuständigen Behörden in dem Fall Fehler gemacht haben.
Bürgermeister entflammte Diskussion
Der Bürgermeister der Gemeinde Harsum, Marcel Litfin, hatte am Wochenende im Gespräch mit der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ entsprechende Vorwürfe erhoben. Der psychisch kranke Tatverdächtige habe schon zuvor die Gemeinde fast täglich beschäftigt und zum Beispiel Verkehrszeichen über Straßen gelegt, sagte der Bürgermeister.
Kein Antrag auf Unterbringung
Im Raum steht die Frage, ob der auffällige Mann vorsorglich in der geschlossenen Psychiatrie hätte untergebracht werden können. Das kann das Betreuungsgericht auf Antrag des Landkreises anordnen, wenn eine Person eine erhebliche Gefahr für Dritte bedeutet, wie der Hildesheimer Gerichtssprecher Steffen Kumme erläuterte. „Bei uns lag so ein Antrag nicht vor“, sagte Kumme. Der Verdächtige habe bis zum 20. Juli unter rechtlicher Betreuung gestanden, diese sei jedoch auf Antrag des Betreuers aufgehoben worden, weil der Mann jegliche Unterstützung abgewehrt habe.
Stellungnahme vom Landkreis Hildesheim
Der Landkreis Hildesheim gab zu dem Fall eine Stellungnahme heraus, die auch RTL vorliegt. „Mögliche ausgesprochene Drohungen oder fremdgefährdendes Verhalten oder Taten werden nicht erwähnt“, heißt es da. Deshalb hätte es für den Sozialpsychiatrischen Dienst keinen Grund zum Eingreifen gegeben. Der Tatverdächtige ist seit 2013 Klient des Sozialpsychiatrischen Dienst: „Der Sozialpädagoge, der seit 2013 für den Mann zuständig ist, wurde von ihm nie mit Drohungen gegen Dritte konfrontiert – Hinweise auf Fremdgefährung liegen damit nicht vor.“ Deshalb und weil es auch keine Hinweise auf eine Eigengefährdung gab, wurde der Mann bisher auch nicht in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. „Der zuständige Sozialarbeiter im Sozialpsychiatrischen Dienst und der rechtliche Betreuer standen im Austausch über den Mann. Im Juli 2022 hat das Amtsgericht die Betreuung aufgehoben.“
Vorwurf: Versuchter Mord
Bei dem Anschlag am frühen Samstagmorgen hatte einer der Gullydeckel die Windschutzscheibe eines Autos durchschlagen. Der 52 Jahre alte Fahrer wurde schwer verletzt, seine 43 Jahre alte Beifahrerin lebensgefährlich. Die beiden stammen aus Baden-Württemberg. Der mutmaßliche Täter wurde am Sonntag festgenommen. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen. (dpa/cgo)