Junge irrt ganz allein über Gelände an der A3

Mutter vergisst Sohn nach Tanken an der Raststätte - Expertin erklärt, wie so was passieren kann

Vollkommen hilflos fühlt sich der Neunjährige alleine auf der Rastanlage.
Vollkommen hilflos fühlt sich der Neunjährige alleine auf der Rastanlage. (Symbolbild)
RTL
von Denise Kylla

Was für eine Angst muss dieser kleine Junge (9) gehabt haben! Am Samstagmorgen vergaß eine niederländische Mutter ihren eigenen Sohn an der Raststätte Medenbach-Ost an der A3 bei Wiesbaden. Das Kind irrte später allein auf der Anlage herum. Was bedeutet so ein Erlebnis für einen Neunjährigen und wie konnte der Mutter so ein grober Fehler passieren? Im Interview mit RTL schätzt die psychologische Expertin Ruth Marquardt die Situation ein.

Sohn an der A3 vergessen - Mutter könnte unter Stress gestanden haben

„Es ist äußerst ungewöhnlich und passiert üblicherweise nicht. Ich bin Mutter und kann alle Eltern verstehen, die jetzt innerliche aufschreien und sagen: Das würde mir niemals passieren! Wie kann sie nur!“, sagt Ruth Marquardt. Doch so leicht sei eben nicht alles zu erklären. Womöglich könnte sich die Frau in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben.

„Wenn wir Menschen uns sehr im inneren Ausnahmezustand befinden, unter hohem Stress, gedanklich ganz woanders sind, dann kann es passieren, dass wir Dinge tun, die uns sonst niemals passieren würden – wie das eigene Kind zurück lassen“, sagt die Expertin.

Ob sich die Mutter in einem Ausnahmezustand befunden hat? Darüber ist nichts bekannt. Fest steht aber: Während sie an der hessischen Raststätte hielt, um zu tanken, stieg ihr Neunjähriger aus dem Auto, um zur Toilette zu gehen. Doch die Mutter war vor ihrem Sohn fertig, setzte sich in den Wagen und fuhr nur mit ihrem anderen Sohn (11) auf dem Rücksitz weiter. Doch auch er machte nicht auf das Fehlen seines Bruders aufmerksam.

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Ruth Marquardt hat sich als psychologische Expertin mit dem Fall des vergessenen Jungen auseinandergesetzt.
Ruth Marquardt hat sich als psychologische Expertin mit dem Fall des vergessenen Jungen auseinandergesetzt.
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Nach Pause an Rastplatz: Auch Bruder bemerkt das Fehlen des Neunjährigen nicht

Die Mutter vergisst ihr Kind, der Bruder merkt nicht, dass da jemand auf der Rückbank fehlt – warum könnte auch der Elfjährige nichts bemerkt haben? „Es kann sein, dass der Bruder, wie bei Kindern auf Reisen eher üblich, mit einem Tablet oder Handy in seiner eigenen Welt versunken war. Offenbar waren alle in der Familie an diesem Tag mit sich oder etwas anderem sehr beschäftigt“, vermutet Marquardt.

Immerhin sei das menschliche Gehirn „super fehleranfällig“. „Es interpretiert Situationen für uns. Von den rund elf Millionen Bit an unterschiedlichen Sinneseindrücken pro Sekunde, die es verarbeiten müsste, lässt es nur rund 40 Bit pro Sekunde wirklich in unser Bewusstsein vordringen. Anders Ausgedrückt: Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, wir sehen nur einen Teil davon.“

Aufmerksam hingegen war eine andere niederländische Familie auf dem Rastplatz. Sie bemerkte den hilflosen Jungen an der A3 und konnte ohne Sprachbarriere ihre Hilfe anbieten. Auch die Mutter des Jungen bemerkte irgendwann, dass ihr Schatz nicht im Auto saß und alarmierte ihre Schwester, die das Kind später abholte.

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Vergessen an der Raststätte - was bedeutet das für den Jungen?

Ein Happy-End nach einem einem nervenaufreibenden Tag – könnte man denken. Aber wäre es auch möglich, dass das vergessene Kind einen langfristigen Schaden davongetragen hat? Ruth Marquardt: „Es kann sein, dass sich die Familie Unterstützung holen sollte bei einer Kinder- und Jugendtherapeutin, um die Situation gut für alle zu integrieren. Ganz oft sind Kinder aber auch unglaublich resilient – und zeigen sich fast unbeeindruckt, vor allem, wenn die Geschichte gut ausgegangen ist.“