Hummels mit zur EM?Kommentar: Jogi hat keine andere Wahl

Joachim Löw verwirft für seine letzte Mission als Bundestrainer alle großen Visionen und Überzeugungen. Nach Thomas Müller holt er wohl auch Abwehrspieler Mats Hummels für die Fußball-EM in seinen Kader zurück. Warum? Weil er das tun muss, um erfolgreich zu sein.
Jogi wehrte sich gegen das schlicht Unvermeidliche
Am Dienstag-Nachmittag sickerte durch, was längst nicht mehr ernsthaft anzuzweifeln war: Mats Hummels fährt wohl mit zur Europameisterschaft. Hummels, der Aussortierte, wird von Joachim Löw "begnadigt".
Gewehrt hatte sich der Bundestrainer gegen das Unvermeidliche lange, zu lange. Dabei ist seine mutmaßliche Entscheidung alles andere als kompliziert oder gar kontrovers. Denn: Natürlich muss Mats Hummels mit zur Europameisterschaft!
Gibt es in Deutschland derzeit zwei stärkere Innenverteidiger als ihn? Gibt es überhaupt EINEN stärkeren Innenverteidiger als ihn? Nein! Lediglich Antonio Rüdiger taugt mit seiner noch nicht allzu langen Rolle als Stammkraft beim FC Chelsea als gesetzter Mann in der Nationalmannschaft.
Und sonst so?

Matthias Ginter erlebt mit Borussia Mönchengladbach derzeit einen bitteren Absturz in der Liga. Sein Selbstvertrauen? Ganz sicher nicht gut.
Niklas Süle, der Mann, der doch eigentlich längst Abwehrchef beim FC Bayern und auch im DFB-Team sein sollte, spielt nur noch eine Nebenrolle in seinem Klub, half zuletzt mal als rechter Verteidiger aus. Dass er nun bei der Europameisterschaft den phänomenalen und phänomenal schnellen Franzosen Kylian Mbappé oder Portugals alternden, aber immer noch gefährlichen Superstar Cristiano Ronaldo stoppen soll? Puh, eher schwer vorstellbar.
Kaum Argumente gegen Hummels!

Und auch die anderen Alternativen liefern keine Königsargumente gegen Hummels. Weder Jonathan Tah, der sich bei Bayer Leverkusen zwar sehr deutlich stabilisiert hat, aber auf dem allerhöchsten Niveau meistens gefremdelt hat, noch Robin Koch von Leeds United sind die Männer, denen man Heldengeschichten in epischen Duellen zutraut. Anders als Hummels, der diese über Jahre gemeinsam mit Jérôme Boateng wieder und wieder geschrieben hat. Eben jenem dritten von Löw Aussortierten, dessen "Begnadigung" mit Abstand die überraschendste wäre.
Hummels, Dortmunder Abwehrchef, bringt alles mit, um dieser Mannschaft zu helfen. Außer das Tempo, um einem Mbappé im direkten Duell folgen zu können. Aber dafür gibt es ja dann immer noch einen zweiten Mann oder die schnellen Außenverteidiger. Außerdem macht er mangelnde Geschwindigkeit durch ein starkes Stellungsspiel wett. Mit seiner Erfahrung, mit seiner Kommunikationsstärke und seinem Spielaufbau. Stichwort: Pass mit dem legendären Außenrist - gibt er der Mannschaft dringend benötige und lange vermisste Qualitäten.
Führungsachse Neuer, Hummels, Kimmich, Müller?
Und wer würde an der Tauglichkeit an einer mächtigen Führungsachse aus Manuel Neuer (Tor), Hummels (Abwehr), Joshua Kimmich (Mittelfeld) und dem zweiten (wahrscheinlichen) großen Rückkehrer im EM-Kader Thomas Müller (Offensive) zweifeln?
Überall auf dem Feld wäre eine starke Kommunikation. Überall auf dem Feld wäre Turnier- und Titel-Erfahrung. Überfall auf dem Feld wäre Führung. Das braucht eine Mannschaft, die Erfolg haben will. Und es ist ja so: Einen EM-Titel haben sie alle noch nicht. Weder die Spieler, noch der Löw. Es wäre ein prima Geschichte in der Ära des Bundes-Jogi.
Auch das spricht für Hummels
Was noch für Hummels spricht: Er kommt mit einem immensen Selbstvertrauen. Auch weil seine Defensive in den vergangenen Wochen sehr gut gearbeitet hatte, hat Borussia Dortmund ein beeindruckendes Saisonfinale hingelegt. In der Bundesliga wurde die sehr spektakuläre Aufholjagd mit der Qualifikation für die Champions League belohnt. Im DFB-Pokal gab's den Titel. Und in der Königsklasse im Viertelfinale zwar den Knockout, aber erst nach einem harten Duell mit der derzeitigen Übermannschaft in Europa, mit Manchester City.
So, und was genau spricht jetzt gegen Hummels? Dass seine Rückkehr ein fatales Zeichen an den Rest des Teams ist? Dass Löw dem Rest des Teams nicht vertraut? Die Leistung zählt. Dass der Umbruch-Plan des Bundestrainers vorerst gescheitert ist, egal. Erst recht, wenn am Ende ein tolles Turnier steht. Womöglich mit einer spektakulären Krönung, dank einer spektakulären Heldengrätsche von Hummels.