Ein Kommentar zur Flugverbot-Debatte

Annalena Baerbock: Wenn es ernst wird, kneift sie

ARCHIV - 17.05.2021, Berlin: Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin und Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, steht vor dem Beginn des ·Politiktalk aus der Hauptstadt - Wer schafft's ins Kanzleramt?· vom RBB und der Süddeutschen Zeitung auf der Dachterrasse unter einem Regenbogen. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Annalena Baerbock
nie fdt, dpa, Kay Nietfeld

Annalena Baerbock will für großen Wandel stehen. Doch die Verbotsdiskussion um Kurzstreckenflüge zeigt: Wenn’s ernst wird, kneift die grüne Kanzlerkandidatin.

Verbot oder kein Verbot?

Annalena Baerbock ist sich einig mit Andreas Scheuer. Klingt komisch, ist aber so. Am Ende einer kurzen, aber zünftigen Diskussion um Flugreisen kann man festhalten: Der Verkehrsminister will Kurzstreckenflüge nicht verbieten, die grüne Kanzlerkandidatin aber auch nicht – und das ist anrüchig. Denn Baerbock hat die Debatte im „BamS“-Interview am Sonntag mit diesem Satz selbst losgetreten: „Kurzstreckenflüge sollte es perspektivisch nicht mehr geben.

Kanzlerkandidatin Baerbock rudert zurück

Baerbock wird gerade ganz schön gehyped. Ihre Umfragewerte sind toll. Viele Wähler nehmen ihr ab, dass sie für einen Politikwechsel steht. Spätestens nach der Flug-Nummer muss man daran aber Zweifel haben. Die Kanzlerkandidatin selbst ist ganz bemüht, ihren Vorschlag nicht mal wie eine Vorschrift aussehen zu lassen. Es gehe nicht um ein Verbot, sagte sie kaum mehr als 24 Stunden nach dem Interview, „sondern dass wir den Ausbau der Bahn massiv vorantreiben müssen, dass sich Kurzstreckenflüge erübrigen.“

Verkehrsminister Scheuer hat übrigens gestern gesagt: „Ein Verkehrsmittel verbieten ist die falsche Politik. Die Menschen sollen Bahn reisen mit einem guten Angebot, das wir jetzt schaffen.“ Klingt ähnlich? Ist es!

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Diskussion um Flugreisen könnte Grünen nutzen

Nicht dass wir uns hier falsch verstehen: Der Einsatz der Grünen für Klimaschutz steht außer Frage, gerade im Vergleich zu, sagen wir, Leuten wie Minister Scheuer. In diesem Fall aber wollte die grüne Kanzlerkandidatin ganz offensichtlich nur eine ökologisch schicke Seifenblase lospusten und hatte gar nicht vor, sie lange fliegen zu lassen. Das mag taktisch klug sein, je näher die Wahl rückt, ehrlich ist es aber nicht.

Die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler hat wahrscheinlich gelesen, dass Baerbock Inlandsflüge nicht gut findet - „die will das verbieten“. Man darf aber davon ausgehen, dass deutlich weniger Menschen mitbekommen haben, wie sie dann wieder zurückgerudert ist. Ziel also erreicht: Wer ökologisch denkt, fühlt sich von der Kandidatin abgeholt. Und wer die Grünen sowieso für Verbotsfuzzis hält, sieht sich mal wieder bestätigt. Baerbock aber kann sich freuen, denn sie ist in aller Munde – auch wenn sich mit ihr im Kanzlerinnenamt vielleicht gar nicht so viel ändern würde.