Wichtige Anzeichen und Anlaufstellen
Kindesmisshandlung: Was kann ich bei einem Verdacht tun?
Woher hat das Kind bloß diese blauen Flecke? Warum versteckt es seine Unterarme beim Spielen? Manchmal stellt sich bei solchen Eindrücken das Bauchgefühl ein: Irgendetwas stimmt da nicht. Kindesmisshandlung ist ein schwerer Vorwurf – umso wichtiger ist es also, Anzeichen richtig zu deuten und im Verdachtsfall nicht wegzuschauen. Im Video erklärt Familientherapeutin Ruth Marquardt, was hierbei helfen kann.
Harmlose Verletzung oder schlimmer Hintergrund?
Sprechen Sie – wenn möglich – selbst mit dem Kind und versuchen Sie herauszufinden, wie es zu den Verletzungen gekommen ist. Wichtig ist, dass Sie offene Fragen stellen: Fragen Sie, ohne Antwortmöglichkeiten vorzugeben. Also nicht: "Was ist denn das? Hat dich da jemand gehauen?", sondern eher "Oh, das tut bestimmt weh. Wie ist denn das passiert?" Lassen Sie das Kind einfach erzählen und denken Sie darüber nach, ob Ihnen die Geschichte plausibel erscheint.
Auch, wenn der direkte Kontakt nicht möglich ist oder Sie eine fragwürdige Szene beobachten, empfiehlt Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der ständigen Kindervertretung der Deutschen Kinderhilfe e. V.: „Fragen Sie sich, wie Sie sich fühlen würden, wenn jemand so etwas mit Ihnen (als Kind) machen würde, der Ihnen körperlich wesentlich überlegen ist! Dann wissen Sie, ob es geboten ist, etwas zu tun.“
Häufige unbeabsichtigte Verletzungen bei Kindern

Es gibt einige typische Indizien, die auf körperlichen Missbrauch hindeuten. Nicht vergessen: Kinder fallen häufig hin, gerade wenn Sie laufen lernen. Blaue Flecken sind also ganz normal, aber es gibt typische Körperstellen für Sturzverletzungen, wie zum Beispiel Kinn und Nase (siehe Grafik).
Mögliche körperliche Anzeichen für Kindesmisshandlung

Misshandlungen zeigen sich eher durch Blutergüsse und Striemen, Bisswunden oder Verbrennungen an folgenden Stellen:
Augen, Schädeldecke und Wangen
Ohren und Mund
Rücken und Po
Außenseiten der Unterarme
Ein erster Ansatz, an dem Sie sich orientieren können, ist die sogenannte „Hutkrempen-Regel“. Sie besagt, dass Blessuren, die oberhalb von Stirn und Ohren liegen (also unter einem gedachten Hut), verdächtig sind. Beobachten Sie das Kind über einen gewissen Zeitraum: Hat es regelmäßig sonderbare Verletzungen oder Narben an den Armen? Dann lassen Sie sich vom nächstgelegenen Jugendamt über mögliche Maßnahmen beraten.
So können Sie im Verdachtsfall helfen
Rainer Becker empfiehlt, in einer akuten Situation Hilfe ohne Vorwurf anzubieten, etwa: „Sie scheinen im Moment ziemlich gestresst zu sein, kann ich Ihnen irgendwie helfen? Soll ich einen Augenblick auf Ihr Kind aufpassen, bis Sie sich wieder beruhigt haben?"
Wann immer Sie das Gefühl haben, dass Gefahr im Verzug ist, rufen Sie zunächst die Polizei. Davon, alleine „den Helden zu spielen“, rät Becker ab. Foto- oder Videoaufzeichnungen oder ein Autokennzeichen erleichtern der Polizei jedoch erheblich ihre Arbeit.
In allen anderen Fällen sollte das Jugendamt benachrichtigt werden.
Kindesmisshandlung beim Jugendamt melden
Sollten Sie Zeuge von emotionaler oder körperlicher Gewalt an Kindern werden und dies dem Jugendamt melden wollen, rät Becker zu folgenden Schritten:
Bei telefonischen Hinweisen an das Jugendamt sollten Sie sich immer den Namen des Ansprechpartners notieren.
Den Hinweis möglichst schriftlich dokumentieren und als Kopie an das Jugendamt senden.
Immer eine schriftliche Eingangs- bzw. Bearbeitungsbestätigung verlangen, auch bei Hinweisen per E-Mail.
Bei begründeten Zweifeln an der Bearbeitung Ihres Hinweises immer eine Kopie an das örtlich zuständige Familiengericht schicken.
Weitere Anlaufstellen
Neben Jugendamt und Polizei gibt es viele Vereine, an die Sie sich beim Verdacht von Kindesmisshandlung oder sexuellem Missbrauch wenden können. Wir haben für Sie eine Liste mit Anlaufstellen und Ansprechpartnern zusammengestellt:
Kinder und Jugendliche:
www.wildwasser.de (sexuelle Gewalt, Tel.: 116006)
www.dunkelziffer.de (Tel: 040/421070010)
Nummer gegen Kummer e.V. (Tel: 116111)
Eltern, Mitbürgerinnen und Mitbürger:
Evangelische Telefonseelsorge: 0800/1110111
Katholische Telefonseelsorge: 0800/1110222
Für (potenzielle) Täter:
Kein Täter werden (Pädophilie)