Plötzlich geht wieder was beim DFB-Team
Das Ende des krassen Selbstbetrugs mit Joachim Löw

Von Ben Redelings
Der Auftakt unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick gegen Liechtenstein verläuft noch ziemlich zäh, doch gegen Armenien gibt es ein wuchtiges Ausrufezeichen. Das ist gut für die Stimmung in der Mannschaft und auf den Rängen. Das ist eigentlich ein Anlass zur Freude. Doch dies alles zeigt auch: Es wurde viel Zeit in den letzten Jahren sinnlos vertan!
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Rund um den deutschen Fußball wurde viel Schaden angerichtet
Eines Tages werden sie auch beim DFB in geselliger Runde zusammensitzen und zugeben, dass die letzten Jahre eigentlich verschenkt waren. Denn hätte der Verband nicht so viele eigene Probleme gehabt, dann wäre der Wechsel von Jogi Löw zu einem anderen Bundestrainer schon viel früher über die Bühne gegangen. Und das wäre, wie wir spätestens jetzt wissen, für alle Beteiligten das Beste gewesen. Nun schaut man zurück auf fünf, sechs, sieben Jahre des Stillstands und der persönlichen Demontagen und muss schamvoll erkennen, dass man viel Schaden rund um den deutschen Fußball angerichtet hat.
Es wird nicht von heute auf morgen gehen, dass alles wieder schnell in Ordnung kommt, aber vielleicht geht es rascher, als man bis vor wenigen Tagen noch gedacht hat. Und auch für den Weltmeister-Coach Joachim Löw wird sich das Stimmungsfähnchen bald wieder drehen. Im Moment sind viele Fußballfans im Lande noch immer sauer auf den ehemaligen Bundestrainer. Doch schon in naher Zukunft wird der Breisgauer auch wieder in TV-Shows mit Standing Ovation empfangen werden - und das völlig zurecht. Schließlich hat er die Nationalmannschaft 2014 zum WM-Titel geführt. Diesen besonderen Augenblick wird ihm kein deutscher Fußballanhänger je vergessen. Doch er hätte sich selbst (wenigstens) die letzten fünf Jahre nach dem Ausscheiden bei der EM 2016 (er)sparen sollen.
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Gräben müssen mühsam zugeschüttet werden
Es waren fatale Jahre des Selbstbetruges, die nicht nur dem DFB und Jogi Löw geschadet haben, sondern auch einer ganzen Generation an Fußballern eine ehrliche und erfolgversprechende Perspektive geraubt haben. Denn man darf nicht vergessen: Auch wenn der Wettbewerb nie einen so hohen Stellenwert genossen hat, war Deutschland dennoch mit einem jungen Team der Gewinner des letzten FIFA-Konföderationen-Pokals 2017. Und zudem holte die U21 in den Jahren 2017 und 2021 den EM-Titel und stand 2019 im Finale gegen Spanien. Das Potenzial für mehr war also durchaus da - nur wurde es nie vernünftig abgerufen.
Das hilft jetzt alles nichts mehr: Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Doch nun scheint sich endlich die dicke Nebelsuppe rund um das DFB-Team aufzulösen. Die Wolken verschwinden und langsam kommt auch wieder die Sonne raus. Im Rückblick wirken dadurch allerdings die letzten Jahre noch einmal umso trüber und es wird endgültig klar, dass man viel früher auf die Stimmen hätte hören müssen, die damals davor warnten, dass es keinen guten und erfolgreichen Ausweg aus der Sackgasse - in die sich der DFB und Jogi Löw selbst verirrt hatten - mehr geben würde.
Umso intensiver genießen alle Beteiligten und Fans nun diesen echten Neustart und Umbruch. Es wird in den kommenden Monaten sicherlich auch wieder Rückschläge geben, aber diese werden mit viel mehr Sinn für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit ertragen werden. So bitter dieses letzte Fazit zur Ära Löw auch ist: Der fatale Selbstbetrug hätte schon viel früher beendet werden müssen, weil er tiefe Gräben in die deutsche Fanschaft gezogen hat, die nun erst wieder mühsam zugeschüttet werden müssen. Es wartet auf Hansi Flick und sein Team viel Arbeit - aber wenigstens können sie sicher sein, dass man ihnen dafür etwas Zeit einräumen wird. Zeit, die Joachim Löw schon lange nicht mehr hatte.