Warum Wissenschaftler skeptisch sind

Ist die Herdenimmunität bei Corona überhaupt erreichbar?

ARCHIV - 29.05.2021, Bayern, München: Zahlreiche Menschen spazieren durch die Fußgängerzone in der Innenstadt. Die Hoffnung auf Herdenimmunität ist fast so alt wie die Corona-Pandemie. Unter anderem ansteckendere Virusvarianten wie Delta lassen dahinter aber Fragezeichen entstehen. (zu dpa «Unerreichbare Herdenimmunität bei Corona? - Delta und weitere Risiken») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Unerreichbare Herdenimmunität bei Corona?
shp vco, dpa, Sven Hoppe

Herdenimmunität erreichen, um die Coronapandemie zu beenden, das war das Ziel vieler Regierungen und die Hoffnung aller Menschen zu Beginn der Pandemie. Doch dieses Ziel könnte – trotz Impfstoff - womöglich nie erreicht werden, vermutet nun auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Strategiepapier zur Vorbereitung auf den Winter. Doch das ist auf keinen Fall ein Signal dafür die Impfung oder andere Corona-Maßnahmen in Frage zu stellen. Vielmehr ist es ein Argument mehr, sich impfen zu lassen.
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Warum das Virus nicht gestoppt werden kann

Dass dem Coronavirus durch eine hohe Impfrate kein Einhalt gewährt werden könnte, kann mehrere Ursachen haben. Erstmal ist es noch gar nicht klar wie hoch der Anteil an geimpften Menschen in der Bevölkerung sein muss, um eine Herdenimunität gegen Corona herzustellen. Lange ist das RKI davon ausgegangen, dass man dazu eine Impfquote von 70% oder höher benötigen würde. Mit dem Aufkommen der Delta-Variante hat das RKI diesen Wert jedoch auf über 85% nach oben korrigiert. Davon sind wir einmal noch weit entfernt und zum anderen könnte es wohl unmöglich sein fast die komplette Bevölkerung von einer Impfung zu überzeugen. Ganz abgesehen davon, dass es auch medizinische Gründe gibt, die gegen eine Corona-Impfung bei bestimmten Menschen sprechen können.

Wie lange ist man überhaupt vor einer Infektion geschützt?

Eine weitere Variable in der Rechnung ist die Dauer der Immunität. Noch ist nicht klar, wie lange der Impfschutz vor einer Infektion sowohl nach einer Impfung als auch nach einer überstandenen Erkrankung anhält. Forscher gehen davon aus, dass diese natürliche Immunisierung nicht so langanhaltend ist, wie die durch einen Impfstoff. So besteht also immer die Gefahr, dass ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung wegen einer nachlassenden Immunität sich wieder mit höherer Wahrscheinlichkeit mit dem Coronavirus anstecken könnte.

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Impfung bedeutet nicht vollständige Sicherheit vor einer Infektion

Auch wenn die Corona-Impfstoffe eine hohe Wirkung haben, so verhindern sie nicht immer eine Infektion. Das Robert-Koch-Institut beschreibt die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe von bioNtech und moderna (Jeweils nach der Herstellung des vollständigen Impfstoffes nach der zweiten Impfung.) wie folgt: „Die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, war bei den vollständig gegen COVID-19 geimpften Personen um etwa 95 Prozent geringer als bei den nicht geimpften Personen.“ Bei AstraZeneca liegt diese Wahrscheinlichkeit bei immerhin noch 8 Prozent. Heißt: Die Impfung schützt zwar vor einer Infektion, doch ganz ausschließen kann man sie dennoch nicht. Das gilt im besonderen Maße für Mutationen des Virus‘, die es zusätzlich erschweren Menschen vor einer Infektion zu schützen, weil das Virus eben auch ansteckender wird.

Darum ist Impfen trotzdem wichtig!

Warum Impfen aber trotzdem die erste und beste Maßnahme im Kampf gegen das Coronavirus ist, erklärt Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor vom Hygienezentrum Bioscientia, mit einem Auto-Vergleich: „Ich kann mit Gurtpflicht und Airbag auch noch einen schweren Unfall bauen, der mich schwer verletzt, aber die Wahrscheinlichkeit ist deutlich geringer, und in der Masse wird uns die Impfung tatsächlich aus der Impfung führen.“

Dazu kommt: Die Impfung schützt nicht nur und nicht hauptsächlich vor der Infektion. Sondern sie schützt vor allem die geimpfte Person davor, dass sie nach einer Ansteckung mit dem Corona-Virus keinen schweren oder sogar tödlichen COVID-Verlauf erleidet oder nach der Genesung Langzeitschäden davonträgt. Mit der Impfung würde es also möglich werden, dass wir tatsächlich eines Tages ein relativ normales Leben mit dem Corona-Virus leben könnten. Denn dann hätten Ansteckungswellen tatsächlich einen ähnlichen Charakter wie die alljährlichen Grippewellen. (jdr)