Viele übernachten nur noch in Ferienwohnungen oder auf dem Campingplatz
Herzrasen, Schlafstörungen & Co. - machen die Windräder in Holtgast die Anwohner krank?
Zuhause schlafen kommt für Hermann Oldewurtel und seine Lebensgefährtin Insa Bock aus Holtgast (Niedersachsen) nicht mehr in Frage. Seit bei ihnen in der Nachbarschaft neue Windräder gebaut wurden. Das Paar sowie viele andere Nachbarn sind überzeugt: Die Windräder machen krank. Oldewurtel und Bock schliefen darum im Winter in einer Ferienwohnung und im Sommer auf einem Campingplatz, wie sie im RTL-Interview erzählen. Jetzt haben sich die beiden sogar ein neues Haus gekauft, weil sie es im alten einfach nicht mehr aushielten. Im Video erzählen die beiden, warum die Windkraftanlage so belastend für sie ist.
Die Symptome kamen offenbar mit den neuen Windrädern

Es fing laut dem 62-Jährigen schleichend an und wurde immer schlimmer: „Schlafstörungen, dass man morgens total unausgeruht ist, dann Herzprobleme, Herzrasen, Tinitus, Schwindelgefühle, man sieht sehr schlecht, Hautausschläge. Es kommt eins nach dem anderen“, erzählt Oldewurtel. Er und seine Lebensgefährtin geben dem tieffrequenten Schall und den Vibrationen, die von den Windrädern ausgehen, die Schuld an ihren Symptomen. „Der ganze Körper ist auf Alarmstellung“, erklärt die 55-Jährige das Gefühl.
Das Paar wusste erst nicht, woher die Beschwerden plötzlich kamen. Denn seit 1994 leben die Holtgaster mit einem Windpark vor der Tür. Als der Betreiber aber neue Anlagen gebaut habe, sei plötzlich alles anders gewesen. Ab dann kamen Oldewurtel und Bock in ihrem Haus kaum noch zur Ruhe. Nur wenn sie ein paar Tage von zuhause weggewesen seien, ging es ihnen schlagartig besser. Darum haben die beiden jetzt Konsequenzen gezogen und sich im rund vier Kilometer entfernten Esens ein neues Haus gekauft, um nachts wieder schlafen zu können.
Viele Nachbarn schlafen wegen der Windräder nicht mehr zuhause

Auch Hero Gerdes, ein ehemaliger Landwirt aus der Nachbarschaft, leidet unter ganz ähnlichen Symptomen. Auch die Tiere auf dem Hof, den inzwischen sein Sohn übernommen hat, verhielten sich auffällig. Sie „machen einen müden Eindruck, laufen geschafft durch die Gegend, lahmen“, erzählt Gerdes. Das sei früher nicht so gewesen. Auch er hat sein eigentliches Schlafzimmer inzwischen aufgegeben. „Wir schlafen in der Regel nachts im Ferienhaus“, erklärt er. Das sei zwar lästig, dort könne man aber besser schlafen, als in unmittelbarer Nachbarschaft zum Windpark.
Können Windräder sich wirklich auf die Gesundheit auswirken?
Alles Einbildung oder kann es wirklich sein, dass Windräder Anwohner gesundheitlich beeinträchtigen? So genau lässt sich das gar nicht sagen, meint RTL-Medizinexperte Dr. Christoph Specht. „Man hat noch viel zu wenig Studien“, erklärt er. Fakt ist aber: „Windräder senden in der Tat einen Schall aus und zwar einen sogenannten Infraschall, das heißt, einen Schall, den man so nicht hören kann“, so Dr. Specht. Es sei außerdem nachgewiesen worden, dass zumindest manche Menschen diesen tieffrequenten Schall tatsächlich spüren können. Die Probanden hätten nichts gehört, aber beschrieben, dass sie Schwingungen im Körper spüren würden.
Auch klar ist: Es gibt messbare Effekte, wenn man Zellen dieser Art von Schall aussetzt. „Man hat Untersuchungen gemacht – an verschiedenen Organsystemen, zum Beispiel auch an Herzmuskelzellen“, sagt Dr. Specht. „Die hat man mit Infraschall beschallt und dabei festgestellt, dass tatsächlich die Fähigkeit der Muskeln, sich zusammen zu ziehen, gelitten hat.“ Ob und wie sich Infraschall auf den gesamten menschlichen Körper auswirkt, sei aber nicht systematisch erforscht.
Spielen psychologische Effekte eine Rolle?

Dr. Specht hält aber auch psychologische Effekte für möglich. Immer wenn viel Symptome zusammenkommen, müsse man vorsichtig sein und auch die Psyche mit in Betracht ziehen. Schon wenn man eine negative Einstellung Windrädern gegenüber habe oder wenn man sich massiv von Windrädern gestört fühlt, könne das Auswirkungen auf die Gesundheit haben, so der Medizinexperte. „Die sind nicht nur eingebildet, sondern die können wirklich gemessen werden.“ Ärzte sprechen in so einem Fall auch vom sogenannten Noceboeffekt.
Aber ist das bei den Anwohnern in Holtgast auch der Fall? Jahrelang hätten sie beschwerdefrei neben den Windrädern gelebt, sagt Oldewurtel. Erst als die neuen Windräder kamen, ging es ihm und seinen Nachbarn plötzlich schlecht. Ob die Beschwerden der Anwohner in Holtgast psychisch sind oder eine physische Ursache haben, lässt sich schwer nachweisen.
Holtgaster kämpfen weiter gegen die Windräder
Oldewurtel und seine Lebensgefährtin wollen aber nicht aufgeben. Darum haben sie in ihrem alten Haus mehrere Messgeräte installiert, um endlich wissenschaftliche Daten zu liefern, dass sie sich ihre Beschwerden nicht nur einbilden. Sie fordern außerdem, dass die Windkraftanlage zumindest nachts abgeschaltet wird. „Das ist das Allermindeste“, findet Oldewurtel. Denn im Moment könne niemand dauerhaft in seinem alten Haus wohnen. „Man kommt sich vor wie vertrieben.“