Haftpflichtschutz für freie Hebammen in Gefahr: "Beruf von der Vernichtung bedroht"

Mariana Zech arbeitet als freie Hebamme in Köln. In sechseinhalb Jahren hat sie knapp 400 Paare durch die aufregende Zeit von Schwangerschaft, Geburt und in den Wochen danach begleitet. Auch uns. Als ich Anfang 2012 merkte, dass ich ein Baby erwarte, war Mariana da, hörte sich unsere Sorgen, Probleme und Ängste an. Am Telefon, bei uns zu Hause, rund um die Uhr. Wir haben oft Stunden gesprochen. Auch als unsere Tochter schon auf der Welt war. Aber wie lange Mariana ihren Job noch machen kann, steht in den Sternen. Der Haftpflichtschutz für freie Geburtshelferinnen ist in Gefahr. Es droht ein faktisches Berufsverbot. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) fordert ein rasches Eingreifen der Politik.
Die Situation der freiberuflichen Hebammen in Deutschland hat sich weiter verschärft. Die Nürnberger Versicherung zieht sich zum 1. Juli 2015 aus dem letzten Versicherungskonsortium für Geburtshelferinnen zurück. Die verbliebenen zwei Anbieter sind aber nicht in der Lage, die Last alleine zu schultern. Falls kein Ersatz gefunden, die Lücke nicht geschlossen wird, könnte es im schlimmsten Fall bald vorbei sein mit Hausgeburten, Wochenbettbetreuung und der Niederkunft in Geburtshäusern. Denn ohne Haftpflicht dürfen Hebammen nicht arbeiten. Ein faktisches Berufsverbot. "Das war schon ein Schreck", sagt Mariana Zech, die wie viele ihrer Kolleginnen nun um ihre Existenz bangen muss.
Auch der Deutsche Hebammenverband schlägt Alarm. "Die Folgen sind dramatisch, der Beruf ist akut von der Vernichtung bedroht", warnt DHV-Präsidentin Martina Klenk in einer Stellungnahme und fordert: "Wir brauchen jetzt dringend eine politische Lösung!"
Viele freie Hebammen können sich ihren Beruf nicht mehr leisten
Haftpflichtschutz für Hebammen ist zum Risikogeschäft geworden. Die Zahl der Versicherungsnehmer – und damit Beitragszahler - fällt sehr klein aus, die möglichen Schadenssummen dagegen können schnell in die Millionen gehen. Etwa dann, wenn ein Kind durch Geburtsschäden zum Pflegefall wird und die Versicherung für Betreuung und Unterhalt über lange Jahre hinweg aufkommen muss. Für alles, was diesen Betrag übersteigt, haftet die Hebamme mit ihrem eigenen Geld. Angestellte Hebammen sind in der Regel über ihren Arbeitgeber versichert.
Versicherer haben die Deckungssummen in den letzten Jahren drastisch angehoben, die Prämien sind entsprechend durch die Decke gegangen. Während es 2004 im Schnitt noch 1.352 Euro im Jahr waren, müssen Hebammen nach Informationen der 'Ärzte Zeitung' ab Juli 2014 stolze 5.091 Euro blechen. Und das bei einem Stundenlohn von durchschnittlich 8,50 Euro. Viele freie Hebammen können sich ihren Beruf inzwischen schlichtweg nicht mehr leisten. Einige von ihnen haben schon das Handtuch geschmissen.
Mariana Zech ist noch in der Lage, für die teuren Prämien aufzukommen. Sie ist Single, hat keine Familie und kann dementsprechend viele Geburten betreuen. Dass es bald keine freien Hebammen mehr geben könnte, ist für sie undenkbar. Die Arbeit, die die Frauen leisten, sei einfach viel zu wertvoll. "Geburt und Schwangerschaft sind sehr individuelle Themen", erklärt Mariana. "Ich lerne die Frauen sehr früh kennen, begleite die Eltern bis zur Geburt und darüber hinaus. Diese ganzheitliche Betreuung ist vielen sehr wichtig." Im Schichtdienst von Krankenhäusern ist eine solche umfassende Betreuung nicht garantiert. Oft rotieren mehrere Hebammen zwischen vier oder mehr Geburten. Besonders persönlich ist das meist nicht.
Der DHV fordert deshalb die Politik zum Eingreifen auf. Eine mögliche Lösung sei es, die Haftungssummen der Versicherer gesetzlich zu deckeln. Für Schäden, die darüber hinausgehen, soll der Staat einspringen. Die Risiken für Versicherer wären wieder planbarer, die Prämien würden spürbar sinken. Und werdende Mütter könnten auch weiter frei wählen, wo und mit wem sie ihr Baby zur Welt bringen wollen.
Christina Rings hat den Journalismus von der Pike auf gelernt: als Praktikantin, Freiberuflerin, Volontärin und schließlich Redakteurin. Verbraucherschutz, Politik und Gesellschaftsthemen sind ihre bevorzugten Ressorts. An der Uni Oldenburg hat sie BWL mit juristischem Schwerpunkt studiert - ist heute aber heilfroh, die potentielle Karriere als Personalmanagerin an den Nagel gehängt und stattdessen den Sprung in die digitale Redaktion von RTL geschafft zu haben. Hauptsache: Schreiben, texten, kreativ sein. Wenn sie nicht gerade mit ihrer kleinen Tochter über die Spielplätze Kölns zieht, traktiert sie das Manuskript zu ihrem ersten Roman und ist doch nie ganz zufrieden. Ob er je fertig wird? Wir sind gespannt…