Gyde Jensen ist Abgeordnete UND MamaEin Baby im Bundestag: So läuft der Alltag zwischen Plenum und Wickeltisch
Es ist Freitagmorgen halb neun. Der letzte Sitzungstag nach zwei Wochen voller Termine für die Abgeordneten – auch für Gyde Jensen (30) von der FDP. Doch seit fünf Monaten hat sich für Gyde Jensen, die aus ihrem Wahlkreis in Schleswig-Holstein nach Berlin pendelt, der Politikalltag verändert. Sie ist nicht mehr allein: Immer mit dabei ist jetzt ihre acht Monate alte Tochter Syster.
Gyde Jensen ist Mutter und Berufspolitikerin. Wer sie begleitet, merkt schnell, dass der Schlüssel zu dieser Doppelrolle ihre ruhige Art und Geduld sind. Wie selbstverständlich schiebt sie den Kinderwagen durch die Lobby des Deutschen Bundestages. Das würde den Herren in ihrer Branche ebenfalls gut stehen, findet Gyde Jensen.
Wie die anderen Abgeordneten und das Personal auf Gyde Jensen mit ihrem Kinderwagen reagieren und wie Mutter und Tochter den Sitzungstag erleben? Das sehen Sie im Video.
Bundestagsbüro mit Spielzeug-Vollausstattung
Gyde Jensen zieht ihre Tochter noch schnell um, dann setzt sie sie auf ihre Spieldecke, die direkt neben ihrem Schreibtisch ausgebreitet ist. Während die Kleine zu spielen beginnt, geht ihre Mutter noch einmal den anstehenden Ablauf durch. Gleich wird sie im Bundestag sprechen, für sie ein sehr wichtiger Termin. "Es kommt nicht so häufig vor, dass Menschenrechtsthemen es in die Primetime des Sitzungstags schaffen, ich habe erst vor zwei Tagen erfahren, dass ich reden darf. Diese Chance möchte ich natürlich nutzen“, kommentiert die junge Frau ihre Vorbereitung. Sie ist die Expertin der liberalen Fraktion für Menschenrechte und Vorsitzende des zuständigen Bundestagsausschusses.
Während Gyde Jensen 500 Meter entfernt von ihrem Büro im Plenarsaal sprechen wird, passt ihre Schwester auf Syster auf. Sie ist extra mit nach Berlin gereist, um den Politikeralltag zu erleichtern. "Ohne Unterstützung ist es kaum machbar“, sagt sie, die Familie hätte sich eingespielt. Mal reist der Vater mit nach Berlin, mal die Oma und in dieser Woche die Schwester. Der acht Monate alte Syster scheint das Umfeld im Bundestag zu gefallen, sie staunt über das Geschehen, meldet sich immer wieder mit kurzen Tönen, schreien hört man sie den gesamten Morgen über nicht. "Noch spricht sie nicht, aber ich hoffe, ihr erstes Wort wird 'Mama' und nicht 'Bundestag' oder 'Legislaturperiode'“, erklärt Gyde Jensen auf dem Weg zu ihrer Rede.
Wo steht im Deutschen Bundestag eigentlich der Wickeltisch?

Neunzig Minuten vergehen, der Bundesaußenminister hat im Bundestag gesprochen, anschließend folgten die Reden der anderen Fraktionen. Auch Gyde Jensen stand am Rednerpult und antwortete auf die Worte von Heiko Maaß. Sie sei früher immer nervös gewesen, wenn ihre Tochter nicht bei ihr war, aber inzwischen hätten sie sich richtig gut eingespielt, sagt sie und wirkt sichtlich gelassen. "Sie liegt auf dem Bauch und schläft. Dabei schläft sie eigentlich nie auf dem Bauch“, ganz fern ist sie also nicht. Sie zieht ihr Handy raus und zeigt den aktuellen Stand in ihrem Büro, das inzwischen eine ganze Vollausstattung von Spielzeugen und anderen Utensilien hat. Ihre Schwester schickt ihr die Bilder aus dem Büro – das Baby schläft, es ist alles gut.
Dass Gyde Jensen den oft turbulenten Alltag in der Hauptstadt mit ihrer Mutterrolle verbindet, ist nicht selbstverständlich. Wenige Politiker verbinden beide Welten miteinander, bei vielen bleiben die Kinder zuhause in den Wahlkreisen und man sieht sich in den Sitzungswochen nicht. Jensen erklärt, dass sie bewusst beides wollte und daher auch von Beginn an alle an diesen Alltag herangeführt habe. An der Ausstattung des Bundestags liegt es nicht, dass so wenige Kinder den Alltag ihrer Eltern hier begleiten. Es gibt sogar ein Spielzimmer, direkt hinter dem Plenarsaal öffnet sich eine Tür mit der Aufschrift "Spielzimmer", Bauklötze, Malbücher und ein Wickeltisch stehen hier.