Hatte Kurt-Werner Wichmann einen Komplizen?"Göhrde-Morde": Über 30 Jahre altes Telefonbuch hilft Cold-Case-Ermittlern

Kurt-Werner Wichmann ist für mindestens 5 Morde verantwortlich.
Der einschlägig vorbestrafte Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann ist für mindestens fünf Morde verantwortlich - und er könnte einen Komplizen gehabt haben.
RTL Nord

Im bisher ungeklärten Kriminalfall um die „Göhrde-Morde“ suchte die Polizei vor gut zwei Monaten ein altes Telefonbuch aus dem Jahr 1989. Sie wandte sich an die Bevölkerung - und bekam ein Exemplar. Was hat es den Ermittlern gebracht? Das haben sie jetzt veröffentlicht.

Göhrde-Morde: Neue Ermittlungsansätze durch altes Telefonbuch

Polizeibeamte einer Hundertschaft durchsuchen am 30.07.1989 den Wald in der Göhrde bei Oldendorf (Niedersachsen) nach Spuren der Täter, die ein Hamburger Ehepaar getötet hatten. Nach der Aufklärung von zwei fast 30 Jahre zurückliegenden Doppelmorden in der Nähe von Lüneburg prüft die Polizei weitere ungelöste Fälle. (zu dpa «Polizei prüft nach Klärung von Göhrdemorden weitere ungelöste Fälle» vom 28.12.2017) Foto: Michael Behns/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Archiv: Polizeibeamte einer Hundertschaft durchsuchen am 30.07.1989 den Wald in der Göhrde bei Oldendorf (Niedersachsen).
jol fgj, dpa, Michael Behns

Ein mehr als 30 Jahre altes Telefonbuch hat die Ermittler im Fall der sogenannten Göhrde-Morde weitergebracht. Das Telefonbuch aus dem Jahr 1989 habe Ermittlungsansätze ergeben, sagte Polizeisprecherin Julia Graefe in Lüneburg der dpa. Nähere Angaben dazu wollte sie aber wegen der laufenden Ermittlungen nicht machen.

Im Juli hatte die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe gebeten, weil sie in dem Cold Case einer bisher nicht verfolgten Spur nachgeht. Sie wollten bestimmte damalige Telefonnummern mit der Vorwahl 040 abgleichen. Bloß: Bisher hatten die Beamten kein entsprechendes Telefonbuch zur Verfügung. Wenig später wurden die Ermittler fündig. „Wir haben noch Telefonbücher darüber hinaus bekommen“, berichtete Graefe. Etwa aus den Jahren 1990 und 1991. Die würden derzeit archiviert, um sie in anderen Fällen nutzen zu können. „Wir haben jetzt keine Lücken mehr in unserem Archiv.“

Neben den bereitgestellten Telefonbüchern waren laut Polizei auch weitere Hinweise zu den Ermittlungen eingegangen. „Es haben sich auch Kontakte ergeben zu Personen, die sich bisher noch nicht gemeldet haben“, sagte die Polizeisprecherin.

Zweifacher Doppelmord in der Göhrde

Im Sommer 1989 wurden innerhalb weniger Wochen zwei Paare im Waldgebiet der Göhrde von wahrscheinlich ein und demselben Täter ermordet.
Im Sommer 1989 wurden innerhalb weniger Wochen zwei Paare im Waldgebiet der Göhrde von wahrscheinlich ein und demselben Täter ermordet.
RTL Nord

Die „Göhrde-Morde“ bezeichnen den gewaltsamen Tod zweier Paare in der Gemeinde Göhrde im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg im Sommer 1989. Am 12. Juli 1989 hatten Beerensammler die stark verwesten Leichen von Ursula und Peter Reinold gefunden. Sie waren nackt und unter Zweigen versteckt. Vermutlich wurden die beiden Opfer erschlagen und erdrosselt.

Ebenfalls im Juli 1989 wurden die Leichen von Ingrid Warmbier aus Uelzen und Bernd–Michael Köpping aus Hannover entdeckt. Nur rund 800 Meter vom ersten Tatort entfernt! Dazu wurde das mutmaßliche Liebespaar auch noch am selben Tag getötet, an dem das Ehepaar Reinold tot aufgefunden wurde und der Wald noch voller Polizisten war.

Zwei Tage später verschwand Birgit Meier, die Schwester des ehemaligen LKA-Chefs Hamburg, Wolfgang Sielaff. Was die Polizei zu dem Zeitpunkt nicht ahnt: Alle Fälle hängen zusammen. Verantwortlich für die Taten – das ist heute klar – ist der vorbestrafte Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann.

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Fünf Morde gehen auf das Konto von Kurt-Werner Wichmann

ARCHIV - 30.07.1989, Niedersachsen, Oldendorf: Polizeibeamte untersuchen im Wald in der Göhrde (Niedersachsen) ein Fahrzeug am Auffindeort eines ermordeten Paares. Die «Göhrde-Morde» bezeichnen den gewaltsamen Tod von zwei Paaren in der Gemeinde Göhrde im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg im Sommer 1989. Ein mehr als 30 Jahre altes Telefonbuch hat die Ermittler in dem Fall nun vorangebracht. (zu dpa: «"Göhrde-Morde"»: Gesuchtes Telefonbuch hat Polizei weitergebracht» - nur s/w) Foto: picture alliance / Michael Behns/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Archiv: Polizeibeamte untersuchen im Wald in der Göhrde (Niedersachsen) ein Fahrzeug am Auffindeort eines ermordeten Paares. Anhand einer Faserspur aus diesem Wagen konnte die Kriminaltechnik später die DNA des Hauptverdächtigen Kurt-Werner Wichmann sicherstellen.
jol fgj let fdt, dpa, Michael Behns

Der unter anderem wegen Vergewaltigung und versuchter Tötung vorbestrafte Wichmann beging im Jahr 1993 in Untersuchungshaft Suizid, als als er wegen anderer Vorwürfe im Gefängnis saß. Gegen Tote – so will es das Gesetz – darf nicht ermittelt werden. Die Akte wurde geschlossen. Sielaff ist es zu verdanken, dass der Vermisstenfall Anfang der 2000er neu aufgerollt wurde – und schließlich in Zusammenhang mit den Göhrde-Morden gebracht werden konnte.

Denn an einem alten Asservat – Handschellen, die in Wichmanns Haus sichergestellt worden waren - fanden sich Blutspritzer von Birgit, wie eine neue Analyse mittels moderner DNA-Technik ergab. Im Rahmen einer routinemäßigen Aufarbeitung des Falls wurde darüber hinaus eine DNA-Spur in einem der Opfer-Autos gefunden, die ebenfalls dem verstorbenen Wichmann zugeordnet werden konnte. Der Fall galt als geklärt, die Polizei schloss die Akte, doch Sielaff ließ das Verschwinden seiner Schwester keine Ruhe.

Am 29. Juli 2017 ließen er und ein selbst zusammengestelltes Team eine Kfz-Grube im Garten von Wichmann aufmeißeln. Dabei stießen sie auf die Knochen von Birgit Meier, die mit einem Kopfschuss getötet worden ist, wie eine Obduktion ergab.

Hatte der mutmaßliche Göhrde-Mörder Kurt-Werner Wichmann einen Komplizen?

Die Polizei Lüneburg hat die gefundenen Asservate veröffentlicht und hofft auf Hinweise. Erreichbar ist der "Ermittlungskomplex Göhrde" unter den Telefonnummern: 04131/8306-1180 und 04131/8306-1181.
Die Polizei Lüneburg hat Fotos der in Kurt-Werner Wichmanns Haus gefundenen Asservate veröffentlicht und hofft auf Hinweise. Erreichbar ist der "Ermittlungskomplex Göhrde" unter den Telefonnummern: 04131/8306-1180 und 04131/8306-1181.
Polizeidirektion Lüneburg

Da der Verdächtige tot ist, ist der Fall juristisch eigentlich abgeschlossen. Aber die Ermittler glauben, dass es einen Mittäter oder zumindest Mitwisser gibt. Bisweilen ging die Polizei von 200 weiteren Taten deutschlandweit aus.

Die Polizei Lüneburg hat deshalb eine Spezialstelle eingerichtet, die außerdem bundesweit andere, mögliche Verbrechen Kurt-Werner Wichmanns untersucht. Das Sachgebiet „Cold Case“ der Lüneburger Polizei ermittelt seit 2017 in dem Fall. (dpa/cwa/kum)