Gibt die Regierung bald das Hanf frei?

Ganz legal kiffen: Niedersachsens Justizministerin ist skeptisch

ARCHIV - SYMBOLBILD - Ein Mann raucht am 30.11.2006 in Würzburg (Bayern) einen Joint mit Marihuana. In den USA wächst vielerorts die Marihuana-Euphorie. Experten fragen sich, ob Gesundheitsfolgen des Booms schon ausreichend erforscht sind. (zu dpa-KORR.: «Legales High mit zu starker Wirkung? Cannabis in den USA» vom 25.06.2017) Foto: Daniel Karmann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Wenn Erwachsene zum Joint greifen, findet die Justizministerin es "in gewissen Lebenssituationen" okay.
dk_rf_sv cdt cdt fdt, dpa, Daniel Karmann

Es ist eine Frage, die schon jahrelang im Raum steht: Dürfen wir bald legal kiffen? Die aktuelle Bundesregierung hat sich die Entkriminalisierung auf die Fahne geschrieben. Auch die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza gönnt es jedem Erwachsenen, dass er „in gewissen Lebenssituationen zum Joint greift und für ein paar Stunden besser drauf ist, ohne deswegen von der Justiz belangt zu werden“, teilt ihr Sprecher mit. Vor allem Jugendschutz und Verkehrssicherheit müssten aber sichergestellt sein.

Erwerb und Besitz von Cannabis sollen nicht mehr strafbar sein

ARCHIV - 02.07.2021, Berlin: Zwei Tüten mit einem Aufdruck, der ein Hanfblatt zeigt, liegen in einem Park in Berlin auf dem Boden. (Illustration zu dpa: Schizophrenie durch Cannabis-Konsum - Juristen und Mediziner warnen) Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza sieht das größte Problem beim Jugendschutz.
jka alf, dpa, Jens Kalaene

Der Erwerb und Besitz von Gras soll erlaubt werden, so viel steht fest. Unter welchen Bedingungen und wann das so sein wird, steht allerdings noch nicht fest. Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza sieht das größte Problem beim Jugendschutz. „Solange hier kein überzeugendes Konzept vorliegt, bleibe ich insgesamt skeptisch“, lässt sie ausrichten.

Suchthilfe-Statistik unterstreicht Bedenken der Ministerin

Ein Joint wird weitergereicht, aufgenommen am 28.4.2000 in Zürich. (Nicht frei für Bildfunk)
Jugendliche sollten aus Jugendschutzgründen laut Ministerin „gar keine Möglichkeit erhalten, Cannabis zu erwerben“.

In der Statistik der Suchthilfe-Einrichtungen in Niedersachsen von 2020 steht zwar auch, dass bei Betreuungsbeginn zwei Drittel der Klienten zwischen 30 und 59 Jahre alt waren. Doch rund jeder 10. war noch nicht einmal 20 Jahre alt. Durchschnittlich kifften die Klienten das allererste Mal mit 16 Jahren. Mit durchschnittlich gut 18 Jahren wurde die Droge dann zum Problem. Tatsächlich erfolgt der Einstieg also offenbar häufig in jungen Jahren.

Die Bundesregierung schätzt, dass in Deutschland insgesamt fast jeder zehnte Cannabiskonsument anhängig wird. „Beginnt man bereits im Jugendalter, Cannabis zu konsumieren, so liegt die Wahrscheinlichkeit bei 17 Prozent“ – so der Jahresbericht der Bundesregierung aus 2020. Und insbesondere beim Konsum im Jugendalter sei unklar, ob die Schäden reversibel seien.

Jugendliche sollten aus Jugendschutzgründen deshalb „gar keine Möglichkeit erhalten, Cannabis zu erwerben“, meint Niedersachsens Justizministerin Havliza.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Insgesamt 39.245 registrierte Menschen mit Suchtproblem in Niedersachsen

A pre-rolled joint and cannabis flower are pictured at Organ Mountain Cannabis, a new dispensary on Lohman Avenue in Las Cruces, N.M. on April 1, 2022, the first day of recreational sales in New Mexico. (Michael McDevitt/The Las Cruces Sun News via AP)
5.352 mal wurde im Jahr 2020 bei Drogen-Hilfseinrichtungen in Niedersachsen als Hauptdiagnose die Cannabis-Sucht gestellt.
MC RV, AP, Michael McDevitt

Im Jahr 2020 wurden von den 73 Suchthilfe-Einrichtungen in Niedersachsen 39.245 Menschen betreut. So steht es in der Suchthilfe Statistik des Landes Niedersachsen. Mit 68,3% überwiegend Männer. Der Grund für die Betreuung war dabei nicht zwangsläufig ein eigenes Problem mit Drogen: Gut 10% kamen auch wegen der Sucht von Angehörigen in die Beratungsstellen. Teilweise gaben die Menschen einen begleitenden Cannabis-Konsum zu einer anderen Hauptproblematik an, doch immerhin 5.352 mal wurde als Hauptdiagnose die Cannabis-Sucht gestellt. Eine Zahl, die durch die Legalisierung steigen könnte.

Weitere Unklarheit: Kiffen und Autofahren

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza sorgt sich bei der Cannabis-Legalisierungsfrage nicht nur beim Thema Jugendschutz, sondern auch um die Sicherheit im Straßenverkehr. Grundsätzlich enthält auch das aktuelle Gesetz – anders als bei Alkohol - keine THC-Grenzwerte für Autofahrer. Die Vorgehensweise ist im Wesentlichen durch die übliche Rechtsprechung der Gerichte geprägt. Derzeit liegt dieser Grenzwert bei THC bei 1 ng/ml im Blut. Bei dieser Menge gilt die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit als sicher. Alle Werte darunter hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Fragen der Fahrtüchtigkeit müssten bei einer Legalisierung für die Ministerin besser geklärt werden. „Welche Grenzwerte gelten, wie überprüft man das?“, will sie wissen. Insgesamt gebe es noch so viele Fragen zu klären, dass Havliza nicht in naher Zukunft mit dem Go für’s legale Kiffen rechnet.