Kühne Strategie geht in Melbourne voll auf

"Awesome Job!" - Williams feiert Albons 10. Platz wie einen Sieg

"Von Platz 20 in die Punkte. Fühlt sich wie ein Sieg an", twitterte Alex Albon nach dem Australien-GP zu diesem Foto
"Von Platz 20 in die Punkte. Fühlt sich wie ein Sieg an", twitterte Alex Albon nach dem Australien-GP zu diesem Foto
Twitter
von Martin Armbruster

„Wenn man hinten ist, arbeitet man wahrscheinlich noch härter als am anderen Ende des Feldes, man wird nur oft nicht belohnt“, hatte Aston-Martin-Pilot Sebastian Vettel während des Formel-1-Wochenendes in Australien philosophiert. Auf Aston Martin traf das (leider) zu. Obwohl die Mechaniker nach Motorenproblemen und mehrerer Crashs der Fahrer am Samstag ackerten wie die Blöden, ging das Werksteam leer aus. Mehr noch: Im Rennen demolierte Vettel seinen AMR22 aufs Neue, brummte der grünen Crew weitere Überstunden auf.
Dass sich harte Arbeit für die vermeintlich Chancenlosen mitunter aber doch auszahlt, zeigte sich Down Under dagegen bei Williams. Das Traditionsteam feierte einen 10. Platz wie einen Sieg.

Verwirrung an der Williams-Brücke

Fast schien es, als konnten die Williams-Leute selbst nicht glauben, was ihnen da im Albert Park von Melbourne beim dritten Rennen der Formel-1-Saison eben gelungen war. „P11, P11“, funkte der Kommandostand nach der Zieldurchfahrt ins Cockpit von Alex Albon – um sich nur wenig später freudig zu korrigieren. „P10, P10, sorry, wir trudeln hier.“ Albon war’s egal. „Jaaa, Jungs, Wooo!“, schrie der Thailänder erleichtert.

Die Übersicht behielt einzig der Chef. „Ich war mir am Ende sicher, dass es für den Punkt gereicht hat, am Kommandostand waren sich da nicht alle so sicher“, berichtete Williams-CEO Jost Capito bei Sky quietschfidel.

TV-Tipp: Diese 4 Formel-1-Rennen zeigt RTL 2022 LIVE im Free-TV

Riesenjubel bei Williams über wichtigen Zähler

Williams, schon im Vorjahr dank einiger Strategie-Volltreffer mehrmals in den Punkten, gelang in Australien mit Albon in der Tat ein Coup. Vom 20. und damit letzten Startplatz losgefahren, tütete der 26-Jährige den ersten Punkt der Saison für den britischen Rennstall ein – ein völlig unerwarteter Erfolg, der für Williams bare Münze bedeutet. In der Formel 1 kann jeder Zähler Millionen wert sein.

Entsprechend groß war der Jubel: Im Cockpit bei Albon, am Kommandostand bei Capito und Co. und in der Garage bei den Mechanikern, die übers Wochenende einmal mehr malocht hatten. Aus Williams-Sicht passte letztlich alles. Ein Upgrade am FW44 funktionierte, wie Capito erläuterte, der obligatorische Boxenstopp eine Runde vor Rennende lief wie am Schnürchen. Vor allem aber saß die Strategie!

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Albon setzt Strategie perfekt um

Williams hatte Albon mit einem kühnen Plan losgeschickt, der da hieß: Fahr du mal mit den harten Reifen so lange es geht, dann schauen wir, was drin ist. Der Thai-Pilot setzte das perfekt um. Auch dank zweier Safety-Car-Phasen und einer Virtual-Safety-Car-Phase hielt Albon seine Walzen am Leben, rutschte durch die Reifenwechsel der Konkurrenz und dank konstanter Zeiten immer weiter nach vorne – bis er auf einmal von Rang 7 grüßte.

Am Ende reichte dann „ein normaler Boxenstopp“ (so Capito), um in den Top 10 zu bleiben und den so wichtigen Punkt zu ergattern. Das Polster auf den Elftplatzierten Zhou Guanyu im Alfa Romeo betrug 2,3 Sekunden.

Williams lernt und punktet

Aus der Not eine Tugend machen. Das können sie bei Williams. Als einziges der zehn Teams war die Truppe aus Groves ohne Reifen-Erfahrung in die Saison gestartet. Die Entscheidung, aus Kostengründen auf die Tests mit den 2022er Pneus zu verzichten, hatte noch die alte Führung um Teamchefin Claire Williams getroffen, ehe 2020 ein Investoren-Konsortium bei Williams einstieg und Capito das Ruder übernahm. Ein gewaltiger Nachteil.

„Wir waren das einzige Team, das letztes Jahr die neuen Reifen nicht testen konnte. Wir haben daher heute Strategien entwickelt, um die Reifen zu lernen. Da haben wir gesagt: Mit Alex machen wir einen langen ersten Stint auf den harten Reifen. Das hat sich ausgezahlt“, erläuterte Capito – der offensichtlich persönlich anordnete, dass Albon erst in der vorletzten Runde zum Reifenservice beordert wurde. „Wir wollten immer wechseln, da habe ich gesagt: ‘Nein, nein, wir warten auf eine Rote Flagge. Habe gesagt: Lass ihn draußen, lass ihn draußen!’, sagte der 63-Jährige und lachte vergnügt.

Einen „awesome Job“, einen fantastischen Arbeitsnachweis, hatte Capito seinem Punkt-Hamster Albon schon unmittelbar nach der Schwarz-Weiß-Karierten Flagge attestiert. In Australien galt das für das gesamte Williams-Team – den Cheffe inklusive.