Nach "Jahren des Malochens" endlich belohnt
Russell lobt Williams - und sich selbst

In Ungarn war es endlich soweit: George Russell holte beim chaotischen Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring vor den Toren Budapests seine ersten WM-Punkte im Williams – Platz 8. Dass Stallkollege Nicholas Latifi sensationell auf 7 einfuhr, machte die Sause beim Traditionsteam perfekt. Für Williams waren es die ersten Punkte seit dem Deutschland-GP 2019.
„Mein letzter Stint war wahrscheinlich der beste meiner Karriere. Ich habe wie verrückt gekämpft, um Ricciardo und Verstappen hinter mir zu halten“, sagte Russell im Interview mit „auto motor und sport“. „Nach einer Zeit des Malochens, dreieinhalb Jahre für das Team und zweieinhalb für mich, bin ich einfach nur glücklich für jeden Einzelnen.“
Budapest-Punkte höher einzuschätzen als Mercedes-Debüt
Das Ergebnis aus der Puszta fühle sich an „wie ein Sieg“, so der 22-Jährige. Er halte die Punkte im unterlegenen Williams auch für „die wohl größere Errungenschaft“, als seine Top-Leistung beim Sakhir-GP 2020, so Russell.
Damals war der Brite für seinen corona-kranken Landsmann Lewis Hamilton in den Mercedes geklettert, raste dem etatmäßigen Piloten Valtteri Bottas direkt um die Ohren. Nur ein verpatzter Boxenstopp und ein Plattfuß verhinderten einen Russell-Triumph, als Neunter sammelte er immerhin die ersten zwei Punkte seiner F1-Karriere ein.
Video: Russell hat keinen Bammel vor Duell mit Hamilton
Russell erklärt Sonntags-Schwäche
Trotz seines famosen Mercedes-Einsatzes hieß es für Russell danach zurück zu Williams, die Silbernen setz(t)en auch 2021 auf Bottas neben Weltmeister Hamilton. Im nach wie vor ziemlich unterlegenen FW43 vollbringt das F1-Juwel aber regelmäßig Wundertaten, schaffte es diese Saison in zehn der elf Qualifyings in Q2. Beim Heimspiel in Silverstone raste Russell bei der Zeitenjagd für das neue Sprintrennen gar auf Platz 8.
Dass er sonntags trotz aussichtsreicher Startpositionen verlässlich zurückfällt, erklärt Russell wie folgt. „Zwischen Qualifikation und Rennen besteht ein großer Unterschied. Die Autos reagieren ganz anders. In der Qualifikation sind die Reifen brandneu und am unteren Ende der Temperaturskala. Du kannst aggressiv sein. Die Temperatur steigt in der fliegenden Runde zwar, wird aber nie bedrohlich hoch. Im Rennen ist das anders. Der Tank ist voll, du folgst anderen Autos, du rutschst herum. Die Temperaturen sind am Limit. Deshalb ziehen die Topautos immer weg. In sauberer Luft lässt es sich schön fahren. Alles wird leichter.“
Auch Teams wie McLaren, Ferrari oder Alpine würden im Rennen weit hinter die Spitze zurückfallen, „wenn die ein super Qualifying hatten und unter den Top 4 starten“. Russells ernüchternde F1-Weisheit für das Jahr 2021: „Im Rennen werden die Reichen reicher und die Armen ärmer.“
Williams "murkst nicht herum"
Für die zweite Saisonhälfte sieht Russell durchaus nochmal Chancen, mit Williams Beute zu machen. „Vielleicht in Zandvoort, weil es eine neue Strecke ist. Das wird für alle eine neue Erfahrung. Vielleicht auch Monza. Zu unserer Überraschung waren wir dort die letzten zwei Jahre schnell, obwohl wir ein sehr ineffizientes Auto hatten. Dieses Jahr haben wir ein effizientes. Deshalb könnten wir in Monza gut aussehen“, so der Engländer.
Russell wird Williams 2022 wohl Richtung Mercedes verlassen. Dem Traditionsrennstall um Teamchef Jost Capito traut er in den kommenden Jahren, wenn in der Formel 1 ein neues Reglement gilt, aber einiges zu. „Ich glaube wirklich daran, dass Williams Plätze gutmachen wird. Sie murksen nicht herum, sondern packen richtig an, investieren, wo sie es müssen. Untersuchen, wo sie die Struktur im Team verbessern müssen“, lobte Russell den Rennstall.
Williams wolle gewinnen, was momentan zwar „verrückt“ klinge. Das Team sei aber auf dem richtigen Weg, so Russell. „Vielleicht werden sie nicht direkt im nächsten Jahr da sein, aber sie werden definitiv im Mittelfeld mitfahren. Und vielleicht in ein paar Jahren um Podestplätze und Siege.“ (mar)